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Restart? Über die aktuelle Lage der Veranstaltungsbranche

Die Corona-Krise hat diejenigen KKW-Unternehmen und -Akteur:innen, die ihren Kernumsatz direkt oder indirekt mit der Durchführung von Veranstaltungen generieren, besonders hart getroffen. Zu den »First in – Last out«-Betroffenen zählen vornehmlich der Live-Bereich in der Musikwirtschaft und den Darstellenden Künsten sowie die Kinos in der Filmwirtschaft. Insbesondere im Bereich dieser veranstaltungszentrierten Teilbranchen – aber selbstverständlich auch in der gesamten Veranstaltungsbranche selbst – ist das Geschäft nahezu zum Stillstand gekommen. Nun dürfen seit einigen Wochen Kultur- und Freizeiteinrichtungen unter Hygieneauflagen eingeschränkt wieder öffnen. Wann es der Veranstaltungswirtschaft möglich sein wird, wieder ihren Betrieb so aufzunehmen wie in Zeiten vor der Pandemie, ist weiterhin mit hohen Unsicherheiten behaftet und wird in engem Zusammenhang mit einer ausreichenden Impfquote in der Bevölkerung stehen. 

Um ein Stimmungsbild aus erster Hand einzufangen, sprachen wir mit Julian Blomann – Geschäftsführer der Agentur Erlebnisraum GmbH – über die Lage der Branche in Zeiten von Unsicherheiten, Auflagen und Personalmangel. Aber auch über eine Plattform, mit der die Veranstaltungswirtschaft im Saarland wieder aktiver, optimistischer und experimentierfreudiger werden kann und neue Synergien in der Branche generieren könnte.

LIVE KULTUR

Dock 11: Seit Juni sind sukzessive wieder mehr Kulturevents unter Auflagen möglich. Insbesondere für die Clubs war der Restart mit einigen Problemen behaftet, aus anderen Teilen der Branche wurde über weniger Hürden geklagt. Wie verlief denn euer Restart mit der Baker Street im Blauen Hirsch und der Eventagentur bisher?
Wie musstet eure betrieblichen Abläufe an die derzeitige Situation anpassen?

Julian Blomann: Restart ist wahrscheinlich die falsche Formulierung, bzw. irreführend. Wir arbeiten wieder ein wenig auf rudimentärem Niveau ohne dabei aber ernsthaft kostendeckend zu sein. Ohne die Hilfen des Staates wäre ein wirtschaftliches Überleben nach wie vor unmöglich. Unsere Abläufe sind insofern angepasst, dass wir all unsere Kapazitäten enorm reduzieren mussten. Weswegen wir, wie gesagt, weit von Wirtschaftlichkeit entfernt sind.

Wir werden uns alle umstellen müssen

Dock 11: Die Gastronomie- wie die Eventbranche leiden aktuell unter massivem Personalmangel. Wie begegnet ihr dieser Problematik? Könnte eurer Ansicht nach die Politik hier unterstützen und ist die Branche für die Situation ein Stück weit selbst verantwortlich?

Julian Blomann: Im Moment ist die Lage noch hin zu bekommen, weil wir ja noch lange nicht unter Volllast fahren. Sollte es ernsthaft wieder los gehen, was wir alle ja hoffen, wird das ein enormes Problem. Eine Lösung kenne ich keine, die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn man Menschen 1,5 Jahre lang unmissverständlich zeigt, dass eine Branche komplett auf dem Trockenen sitzt und auch immer noch keine ernsthafte Perspektive hat, dann braucht man sich nicht wundern, dass Mitarbeiter sich andere Jobs suchen um der Kurzarbeit zu entgehen und Nachwuchs sich lieber für andere Jobs entscheidet. Ich weiß nicht was kommen wird, aber wir werden uns alle umstellen müssen. Restaurants werden mehr Schließtage einführen, Veranstaltungen werden wegen Personalmangel nicht stattfinden können, es wird spannend.

Restaurants werden mehr Schließtage einführen, Veranstaltungen werden wegen Personalmangel nicht stattfinden können

Dock 11: Wie wir bei Dock 11 wissen, ist es ein kompliziertes Vorhaben, durch wirtschaftliche Hilfsprogramme – als Beispiel seien die verschiedenen Überbrückungshilfen genannt – alle Sparten der Kreativwirtschaft zu erreichen. Ähnlich ist es bei der sehr divers aufgestellten Veranstaltungsbranche. Wie habt ihr denn bislang die Corona-Hilfsprogramme der Länder und des Bundes wahrgenommen und wie passgenau haben diese euch unterstützen können? 

Julian Blomann: Anfangs war es sehr chaotisch und es blieben viele Probleme ungelöst. Im weiteren Verlauf der Krise wurden die Hilfen durch das massive Engagement der Verbände immer passgenauer. Trotzdem sind viele Betroffene durch die diversen Löcher im Netz gefallen. Wir hatten Glück und kommen im Großen und Ganzen mit den Überbrückungshilfen über die Runden. Trotzdem würden wir natürlich sehr viel lieber wieder arbeiten und hoffen deswegen sehr, dass die Politik ein Einsehen haben wird und sich von ihrer völlig unangebrachten Gleichberechtigungseinstellung was Geimpfte und Ungeimpfte betrifft verabschiedet. 

Restart ist die falsche Formulierung

Dock 11: Um euch auch ein Stück weit selbst zu helfen, wurde von euch die Crowdticket-Plattform »Crowdticket Saarland« ins Leben gerufen. Wie kam es zu der Idee und welche Unterstützung habt ihr da erfahren?

Julian Blomann: Die Idee kam mir, als ich darüber nachdachte, wie wir in Zukunft, gerade in der Restartphase, Veranstaltungen auf die Beine stellen können ohne die finanziellen Möglichkeiten zu haben, ins Risiko zu gehen. Auf den Punkt gebracht, ist die Gefahr, dass ein Event abgesagt werden muss im Moment besonders groß, gleichzeitig das finanzielle Polster um dies abzufedern besonders klein. Dann dachte ich mir, das dieses Problem auch andere kleine und mittelgroße Veranstalter:innen haben werden und habe beim Wirtschaftsministerium angeklopft ob es möglich wäre für ein Projekt, was dieses Problem lösen hilft, eine Förderung zu bekommen. Die Möglichkeit gab es und wir haben eine Förderung bekommen und konnten somit die Plattform umsetzen und live gehen.

Die Gefahr, dass ein Event abgesagt werden muss ist besonders groß, gleichzeitig das finanzielle Polster besonders klein.

Dock 11: Wie funktioniert das System der Plattform und wie hoch sind die Gebühren? Welche Akteur:innen sprecht ihr damit an?

Julian Blomann: Im Grunde ist »Crowdticket« nichts anderes wie eine Crowdfundingplattform, ähnlich »Kickstarter« oder »Startnext«. Allerdings speziell auf die Bedürfnisse für kleine und mittelgroße Veranstalter zugeschnitten. Vom Einstellen einer Veranstaltung bis zum Kauf eines Tickets ist alles sehr einfach und intuitiv gestaltet. Die Ticketgebühr liegt bei 5% des Ticketpreises plus die Gebühren des Zahlungsanbieters. Für Low- oder Nonprofitveranstaltungen ist die Gebühr auf 3% reduziert. Die Plattform richtet sich an jede und jeden der/die irgendeine Form von Veranstaltung organisiert. Vom Yoga-Workshop über ein Showkochen bis hin zum kleinen Konzert.

Dock 11: Wie ist die bisherige Resonanz im Saarland auf »Crowdticket Saarland«? Wie vielen Veranstaltungen konntet ihr über die Plattform bislang etwas Planungssicherheit geben?

Die Plattform richtet sich an jede Form von Veranstaltung: Vom Yoga-Workshop über ein Showkochen bis hin zum kleinen Konzert.

Julian Blomann: Zugegeben noch verhalten. Ich glaube das liegt aber im Kern daran, dass im Moment noch nicht wahnsinnig viel stattfindet. Gäste wie Veranstaltende sind zurückhaltend, es fehlt die langfristige Perspektive. Nichts desto trotz konnten wir in den Monaten seit Februar schon knapp 20 Events über die Plattform realisieren.

Dock 11: Seht ihr auch nach einer möglichen Post-Corona-Zeit in dieser Plattform eine nachhaltige Ergänzung zu eurer Eventvermarktung? 

Julian Blomann: Definitiv ja. »Crowdticket« ermöglicht uns auch ungewöhnliche und damit sehr risikobehaftete Nischenkonzepte am Markt auszuprobieren, diese finden dann entweder ihr Publikum oder eben nicht. Wir können mutiger sein. Ich hoffe, dass noch mehr andere Veranstalter:innen die Vorzüge und Möglichkeiten auch noch erkennen und die Plattform nutzen. 

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