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10 Jahre Saarcamp

10 Jahre Saarcamp

Am 25. und 26. Mai treffen sich auf dem SaarCamp schon zum zehnten Mal netzaffine Menschen, um sich für ein Wochenende lang auszutauschen. Das größte Barcamp im Saarland konnte sich in den letzten neun Jahren als feste Größe etablieren. Dabei ist das Format dieser Konferenz bemerkenswert, denn es gibt keine geplanten Vorträge. Wie und warum Barcamps funktionieren und warum es für die saarländische (Kreativ)-Wirtschaft spannend ist, hat Tanja Begon uns in einem exklusiven Interview verraten. Sie ist nicht nur als Freelancerin Mitglied der Redaktion von Dock 11, sondern auch schon zum vierten Mal Mitglied im Orga-Team des SaarCamps.

Dock 11: Tanja, Ihr organisiert das SaarCamp ehrenamtlich. Für ein Wochenende lang die Räume, Teilnehmer und Versorgung zu organisieren, ist doch sicher zeitaufwendig. Was macht den besonderen Reiz eines Barcamps für dich aus, dass du das jetzt schon vierten Mal machst?

Tanja: Als ich zum ersten Mal dort war, hat mir die Atmosphäre gut gefallen. Es wurden Helfer gesucht und ich bin pragmatisch: Wenn es das wieder geben sollte – und das wollte ich – muss es jemand machen. Also habe ich mich gemeldet. Mittlerweile sind wir eine sehr gut eingespielte Truppe. So macht das Spaß, also geht es immer weiter.

Die Inhalte schaffen ja die Teilnehmer selbst, und hier passiert das Phantastische!

Im Grunde genommen schaffen wir nur die Rahmenbedingen. Für die Räume ist die htw saar uns seit Jahren ein treuer Partner, dafür können wir auch nicht oft genug danken! Darüber hinaus kümmern wir uns darum, dass alle Teilnehmerinnen sich wohlfühlen. Da ist das Essen ein wichtiges Thema, damit geben wir uns immer sehr viel Mühe. Und natürlich ist es unsere Aufgabe, dass die Sessions möglichst reibungslos geplant und gehalten werden können. Die Inhalte schaffen ja die Teilnehmer selbst, und hier passiert das Phantastische: Morgens kommen zwischen 150 und 200 Menschen in den großen Hörsaal und stellen sich vor. Zum Teil kennen sie sich schon, aber immer melden sich auch viele Neue. Dann bitten wir diejenigen, die ein Sessionthema haben, nach vorne. Und am Ende der Planung ist der Grid voll mit Themenvorschlägen. Immer! Und fast alle finden auch ihr Publikum.
Es hält sich ja der Mythos, dass jede, die zum ersten Mal ein Barcamp besucht, eine Session halten muss. Das ist natürlich Quatsch, verdeutlicht aber ganz schön, worum es geht! Alle begegnen sich auf Augenhöhe. Da turnen keine Autoritäten rum, denen man ehrfürchtig lauscht. Jede ist Expertin in ihren täglichen Themen und kann anderen wichtige Einblicke geben. So gewinnen alle wertvolle Perspektivwechsel, Tools, Kontakte und Inspirationen für ihre eigenen Projekte.

Dock 11: Ihr bildet in den Sessions eine ganz schöne Bandbreite an Themen ab, von eher konkreten Fragen des Arbeitsrechts zu relativ breit gefassten Themenkomplexen wie ›Ist Demokratie noch sexy?‹. Steckt ihr überhaupt irgendwo thematische Grenzen ab oder ist das Ganze komplett frei?

Tanja: Das SaarCamp ist ein offenes Barcamp. Das heißt, wir machen keine Vorgaben. Die ursprünglichen Barcamps drehten sich weitestgehend um das, was damals noch unter dem Begriff Web 2.0 gehandelt wurde. Dem bleiben wir auch treu und stecken deshalb den weiten Rahmen ›Digitalisierung und Gesellschaft‹.

Wir wollen einen offenen Spielraum für immer neue Perspektiven und auch ganz kleine, spitze Expertensessions gleichermaßen öffnen.

Das funktioniert erstaunlich gut. Der Bereich ist so riesengroß und komplex, dass niemand ihn komplett im Blick haben kann. Dafür wollen wir einen offenen Spielraum für immer neue Perspektiven und auch ganz kleine, spitze Expertensessions gleichermaßen öffnen. An diesen Rahmen halten sich auch nicht immer alle. Da greifen wir als Organisatoren trotzdem nicht ein, zumindest bisher war das nicht nötig. Wenn das vorgeschlagene Thema seine Interessenten findet, ist das okay.
Letztes Jahr hatten wir eine Teilnehmerin dabei, die hatte ihr Ticket in einer Verlosung im Radio gewonnen. Am Samstag lief sie mit leuchtenden Augen durchs Gebäude, weil sie so begeistert war, von dem, was sie da erlebte. Anscheinend wurde sie von Teilnehmern ermutigt, am folgenden Tag ihr Herzensthema, ihre Erfahrungen auf dem Jakobsweg, in einer Session zu teilen.

Der Mikrokosmos Barcamp reguliert sich selbst ganz gut

Das war überraschend, fand aber wirklich großes Interesse. Warum sollten wir das dann unterbinden? Wenn ein Thema nicht gewollt ist, wird es auch nicht gewählt, das ist dann auch in Ordnung. Dieser Mikrokosmos hat sich in den letzten Jahren eigentlich immer selbst ganz gut reguliert. Die Sessions bieten teilweise sehr konkrete Anwendungsbeispiele bestimmter Programmiersprachen und Tools. In den letzten Jahren hatten wir auch einen Neuropsychologen, der über die Informationsverarbeitung im Gehirn gesprochen hat und erklärte, was die besondere Informationsstruktur von Social Media hier bewirkt. Diskussionen über die besten Tools für digitale Nomaden waren genauso Thema wie Erfahrungsberichte mit Innovationsmethoden bis hin zu Möglichkeiten der Digitalisierung im Kulturbereich. Letztlich hängt das ja auch immer von der Zusammensetzung der Teilnehmer ab. Da immer auch Neue dazu kommen, eröffnen sich jedes Jahr auch neue Themen. Genau das macht es ja so spannend für alle.

Dock 11: Ihr arbeitet mit einer Vielzahl an Sponsoren aus verschiedenen Branchen zusammen. Mit einigen seit mehreren Jahren. Worauf legt ihr bei Sponsoren denn besonderen Wert und was haben die Unternehmen von dieser Partnerschaft?

Tanja: Wir freuen uns über jedes Unternehmen, das es uns ermöglicht, diese Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Wir schließen niemanden aus, aber wir merken auch, dass es vor allem für traditionelle Unternehmen oft ein Wagnis ist.

Barcamp ist, dass man über fachliche Themen und Herausforderungen diskutiert, aber auch, dass man zuhört.

Spätestens wenn die Assistenz nach dem Termin für den Vortrag vom Chef fragt, wissen wir, dass Beratung gefragt ist. Denn es gibt ja keine festen Slots und wir können nicht einmal versprechen, dass das Thema einen Platz bekommen wird. Wenn der Vertriebler kurz reinschneit, um seinen Vortrag über sein famoses Produkt zu halten und dann wieder zu verschwinden, leidet auch das Image des Unternehmens. Barcamp ist, dass man über fachliche Themen und Herausforderungen diskutiert, aber auch, dass man zuhört. Darauf muss man sich schon einlassen können. Dafür muss man aber ein bisschen von der klassischen Vertriebs- und Marketingdenke loslassen können. Wir werben immer darum, Leute aus den Fachabteilungen zu schicken. Die können am besten die Expertise aus dem Unternehmen heraus zeigen und so wirklich das Image aufpolieren. Außerdem bringen sie dann auch für die eigene Arbeit wichtigen Input und Kontakte mit zurück. Und wenn es richtig gut läuft noch eine neue Mitarbeiterin. Das erfordert seitens der Führung aber auch immer Mut und Vertrauen in die Mitarbeiter. Die Überzeugungstäter, die schon seit Jahren sponsorn, bestätigen uns, dass wir unseren Job gut machen. Sie sind begeistert von dem Spirit, der da herrscht, und finden es wichtig, dass es das SaarCamp wieder geben wird. Neugier und Offenheit zahlen sich offensichtlich auch für sie aus.

Dock 11: Die Tickets zur Teilnahme am SaarCamp sind mit 20 € in Anbetracht des großen Angebots ja wirklich sehr erschwinglich. Wie wichtig ist es für euch, die Schwelle zur Teilnahme so niedrig zu halten?

Tanja: Das ist superwichtig. Das Barcamp als solches ist ursprünglich sogar kostenfrei, das haben wir für das SaarCamp allerdings vor fünf Jahren geändert. Denn öffentliche Werbung um Teilnehmer führt zu Problemen für die Organisation und mangelnde Wertschätzung.

Wir wollen kein High-Class-Event sein, das man sich leisten können muss.

Dann melden sich zu viele Leute an, um sich einen Platz zu sichern, und am Ende ist die Hälfte der Sitze leer, weil man es sich doch anders überlegt hat. Mit dem Unkostenbeitrag haben wir die No-Show-Rate enorm senken können, das hat sich leider bewährt. Aber wir wollen kein High-Class-Event sein, das man sich leisten können muss. Durch die 20 € sind die Kosten ja nicht einmal ansatzweise gedeckt, dafür haben wir ja die Sponsoren. Wenn jemand kommen will, bei dem es gerade echt eng ist, finden wir immer eine Lösung. Unter anderem haben wir auch Diversity Tickets, die gespendet wurden. Darauf kann man uns einfach ansprechen, wir freuen uns.

Dock 11: Zehn Jahre! Das hätte sich anfangs sicher niemand träumen lassen. Darauf könnt ihr stolz sein. Dürfen wir zum Jubiläum dieses Jahr besonderes erwarten?

Tanja: Ja, das hat sich damals sicherlich niemand so vorgestellt. Wir stehen finanziell mittlerweile auf festen Beinen und erhalten jedes Jahr mehr Aufmerksamkeit, auch von politischer Seite. Das bestätigt uns doch sehr. Wir spinnen noch ein bisschen rum, was wir noch alles anbieten können. Dieses Jahr wird es zum zweiten Mal Kinderbetreuung geben und vielleicht klappt es auch mit der Live Übertragung via YouTube. Vielleicht bieten wir auch noch mal Abendsessions an. Das diskutieren wir gerade noch. Das Rahmenprogramm werden wir aber nicht weiter aufblasen. Die Leute sollen ja Zeit und Luft haben, sich zu unterhalten. Für Konzerte gibt es andere Formate.

Wenn Du jetzt neugierig geworden bist und auch dabei sein willst, kannst du gleich dein Ticket kaufen. Wenn du mehr erfahren willst, schau dich auf der Website vom SaarCamp um. Hier kannst du unter anderem auch die Sessionpläne von 2018 und 2017 anschauen. Einen Teil der Sessions von letztem Jahr gibt es auch als Videoaufzeichnung auf YouTube.

Das Interview führte Matthias Schmitt.