Abgeräumt! Wie geht das?
Gleich dreimal wurde die Agentur Jungen & Thönes in diesem Jahr beim saarländischen Staatspreis für Design ausgezeichnet. Eindeutig ein Anlass für uns, einmal nachzufragen, was das Geheimnis dieses Erfolgs ist. Ein Interview über Kreativität unter erschwerten Bedingungen und nachhaltige Qualität.
Dock 11: Seit 2019 ist eure Werbeagentur Jungen & Thönes am Markt. Könnt ihr euch und eure Agentur unseren Leser:innen kurz vorstellen?
Jungen & Thönes: Hinter der Werbeagentur Jungen & Thönes stehen wir beiden Gründer Markus Jungen und Stefan Thönes. Wir sind beide seit gut 15 Jahren in der saarländischen Kreativwirtschaft tätig. Markus ist Mediendesigner und Stefan von Haus aus Texter. Mit unserem vierköpfigen Team und einer Handvoll fester Freier konzentrieren wir uns als Werbeagentur auf Corporate Design und hochwertige Produkte im Bereich Print.
Ein schönes Beispiel für diese Art von Print-Produkten sind die prämierten Publikationen wie der Tagungsband des Kultusministeriums oder das Picobello-Workbook des Entsorgungsverbands Saar. Auf diesen Bereich, den viele Kunden neben dem alltäglichen Hintergrundrauschen der Sozialen Medien gerade wiederentdecken, werden wir auch zukünftig unseren Fokus legen. Die Halbwertszeit eines Insta-Posts beträgt im besten Fall zwei Wochen. Eine gute Broschüre steht mit etwas Glück noch nach Jahren beim Kunden. Diese Nachhaltigkeit bieten vor allem Printprodukte. Natürlich schauen wir nach links und rechts und entwickeln auch einzigartige Web- und Screendesigns.
Printprodukte bieten eine Nachhaltigkeit, mit der Social-Media-Bieträge nicht mithalten können
Dock 11: Ihr habt dieses Jahr beim saarländischen Staatspreis für Design richtig abgeräumt. Was ist euer Geheimnis für eine perfekte Werbekampagne?
Jungen & Thönes: Auf klassischer Werbung beziehungsweise Werbekampagnen liegt gar nicht unser Fokus. Wir sind besonders stark im Corporate Design und bei Printprodukten. Alle drei Projekte, mit denen wir beim Staatspreis gewonnen haben, sind sehr individuelle Erscheinungsbilder beziehungsweise Publikationen aus den Bereichen Kultur, Bildung und Nachhaltigkeit. Hier geht es jeweils darum eine mehr oder weniger genau definierte Zielgruppe zu erreichen und nicht die breite Masse. Bei vielen unserer Projekte ist es unsere Aufgabe, ein spezielles Thema spannend und professionell zu präsentieren.
An dieser Stelle legen wir mit einem Corporate Design, wie für »filmreif«, eher den Grundstein für einen erfolgreichen Auftritt am Markt. So ermöglichen wir, dass – in diesem Fall das Festival – eigenständig mit unserem Baukasten arbeiten kann. Die Definition einer „perfekten“ Kampagne ist natürlich auch immer eine Frage des Blickwinkels und der ist bei einem Gestalter unter Umständen ein anderer, als bei einem Controller. Im Idealfall freuen sich am Ende beide.
Dock 11: In einem eurer ausgezeichneten Projekte, »filmreif – Bundesfestival junger Film«, habt ihr mit der auf Digitales und Multimedia spezialisierten »zeit:raum-Agentur« zusammengearbeitet. Wie kam es zur Kooperation sowohl mit dem Festival als auch mit der ebenfalls schon beim Saarländischen Staatspreis Design 2019 preisgekrönten Agentur? Wo seht ihr die Benefits dieser interdisziplinären Kooperation für alle Akteur:innen?
Interdisziplänere Arbeit öffnet ungeahnte Denkräume
Jungen & Thönes: Für Jörn Michaely, den Festival-Leiter, gestaltete Markus Jungen vor ein paar Jahren schon einmal ein Plakat zu einem von Michaelys Kurzfilmen. Als er uns auf ein neues Design für das Festival angesprochen hat, waren wir natürlich gerne dabei. Das war auch eines der Projekte, bei denen wir wussten, dass wir es unbedingt machen wollten und alles Weitere, wie auch die finanziellen Fragen, wurden im Nachgang geklärt. Zeit:raum hatte auch in den Jahren zuvor schon mit dem Festival zusammengearbeitet und so war es nur logisch, dass es hier zu einer Zusammenarbeit kam, da zeit:raum das Festival ebenfalls nochmal unterstützen wollte.
Es entstehen oft die spannendsten Ideen, wenn interdisziplinär gearbeitet wird und man mit Themen und Arbeitsweisen in Berührung kommt, die man vorher so noch nicht kannte. Das heißt nicht unbedingt, dass ein riesiges Team gemeinsam am Tisch sitzt und brainstormt – was in dieser Form letztes Jahr ja auch überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Hier war es eher so, dass wir unser printorientiertes Design komplett aus der Hand gegeben haben und das Team von zeit:raum es dann ganz neu interpretiert hat. Gleiches gilt auch für die tolle Arbeit von Pina Beres vom Festival-Team, die aus unseren Vorlagen ein wunderbares Studio-Design entworfen hat.
Oft lässt sich aus Ideensammlungen eine Grundidee für eine Gestaltung ableiten, worin sie sich dann idealerweise verliert.
Dock 11: Eure Gestaltungen weisen ein sehr markantes Erscheinungsbild auf. Woher nehmt ihr eure Inspiration? Gibt es Vorbilder?
Jungen & Thönes: Wie markant und eigenständig der eigene Stil ist, kann man selbst nur schwer beurteilen. Das ist der berühmte blinde Fleck. Umso mehr freut es uns, wenn unsere Designs erkannt werden, obwohl sie sich teilweise sehr voneinander unterscheiden. Auch wenn es uns im konkreten Fall gar nicht so sehr bewusst war, hat es vor allem Markus Jungen sehr gefreut, in der Jurybegründung zu „filmreif“ zu lesen, dass der Stil und die Formsprache an die Filmplakate der 60er Jahre erinnern. Denn damit wären wir natürlich bei Designgrößen, wie Saul Bass oder Paul Rand, die aber wahrscheinlich die meisten Gestalter irgendwie als Vorbild nennen könnten, weil sie diesen Stil geprägt haben und ihre Entwürfe bis heute Bestand haben und auch immer noch verwendet werden.
Abgesehen von diesen alten Meistern gibt es aber auch großartige, zeitgenössische Designer, wie Fons Hickmann, die sich bei Corporate Designs, Magazinen und vor allem Postern sehr nah an der Kunst bewegen. Viele Inspirationen und Ideen kommen unbewusst auch von anderen aktuellen Designs und Layouts, aus denen sich später vielleicht neue Designansätze entwickeln oder dazu beitragen, ein Gestaltungsproblem zu lösen. Oft lässt sich aus solchen Ideensammlungen – egal ob online oder aus Büchern oder Magazinen – eine Grundidee für eine Gestaltung ableiten. Meistens hat das spätere Design dann aber nicht mehr viel mit dieser Idee zu tun. Es ist mehr eine Inspiration, die bei der Weiterentwicklung des Gestaltungsansatzes hilft. Bei vielen Projekten sind genau dieser Prozess und das damit verbundene Ausschließen von Umsetzungsideen und Gestaltungsansätzen ein wichtiger Teil auf dem Weg zum fertigen Design oder Layout. Reduzieren ist meistens schwieriger, als hinzuzufügen
Das Saarland wird unterschätzt
Dock 11: Die Auszeichnungen beim saarländischen Staatspreis sprechen für eure qualitativ hochwertige Arbeit und sind auch ein Aushängeschild für saarländische Kreativität. Was zeichnet eurer Ansicht nach den Standort Saarland aus und warum arbeitet ihr von hier aus?
Jungen & Thönes: Zunächst einmal hat die Arbeit von hier aus ganz praktische Gründe, da wir hier mit unseren Familien leben. Das Saarland wird aus unserer Sicht immer noch unterschätzt: Es bietet eine hohe Lebensqualität bei vergleichsweise moderaten Verbraucherpreisen. Außerdem gibt es hier eine gut vernetzte Kreativbranche. An dem Klischee, dass im Saarland fast jeder jeden kennt, ist wirklich etwas dran. Für uns als Agentur ist das ein riesen Vorteil, da wir hier sehr gut vernetzt arbeiten können. So haben wir beispielsweise in den Bereichen Web-Development oder Fotografie ganz hervorragende Kooperationspartner:innen vor Ort, die man eher schon als Geschäftsfreunde bezeichnen kann.
Wenn der Kunde von uns also eine Webseite haben will, bekommt er die von einem Projektteam. Wir kümmern uns um das Design und das Projektmanagement, die authentischen Bilder und das Web-Development bekommen wir zugeliefert. Das funktioniert super. Außerdem macht die Zusammenarbeit mit unseren Geschäftsfreunden Spaß und spart auch noch Fixkosten.
Dock 11: Bereits wenige Monate nach eurer Gründung ist die Coronakrise ausgebrochen. Inwiefern haben sich dadurch eure Situation, eure Arbeit, aber auch der Werbemarkt verändert?
Corona hat auch Vorteile mit sich gebracht
Jungen & Thönes: Das war für unsere Agentur zunächst ein harter Schlag. Von heute auf Morgen brachen wichtige Aufträge weg oder wurden auf Eis gelegt. Da haben wir uns bei der Liquiditätsplanung schon gefragt, wie wir es bis zum Sommer schaffen können. Uns hat auf jeden Fall geholfen, dass unsere Belegschaft schon vor der Krise viel dezentral aus dem Homeoffice heraus gearbeitet haben. Das ist ungewöhnlich für die Werbebranche, für uns als Familienmenschen aber schon länger gelebte Praxis und ein riesen Plus.
Trotzdem sind unsere Geschäftsräume am Landwehrplatz in Saarbrücken als Homebase unverzichtbar. Das heißt, dass wir uns dort regelmäßig mit oder ohne Kunden treffen und abstimmen. Es gibt hier aber nicht jeden Tag einen festen Bürobetrieb. Das spart Zeit und Kosten und war ein ganz wichtiger Faktor, der dazu beigetragen hat, dass unsere Agentur die erste Corona-Welle überlebt hat. Rückblickend hat uns Corona sogar Vorteile gebracht: Mit der ersten Welle akzeptierten unsere Kunden von heute auf morgen Videoschalten als Alternative zu persönlichen Treffen. So konnten wir viel leichter bundesweit Aufträge akquirieren. Außerdem schmälern die dezentrale Organisation unserer Agentur und damit der Verzicht auf tägliches Pendeln den CO2-Fußabdruck. Unsere Arbeit an sich hat sich allerdings nicht verändert: Wir machen nach wie vor Printprodukte und Corporate Design.
Nur Zusammenarbeit auf Augenhöhe ermöglicht kreative Performance
Dock 11: Was plant ihr für die kommende Zeit und wo seht ihr euch und eure Agentur in fünf Jahren?
Jungen & Thönes: Das ist keine leichte Frage. Wir möchten weiterhin das machen, was wir lieben: Mit fairen Kunden zusammenarbeiten, die wir ebenso wie die Zielgruppe mit unserer Arbeit begeistern. Hört sich vielleicht ein bisschen abgehoben an, ist uns aber wichtig. Wenn die Chemie nicht stimmt, nehmen wir uns schon auch den Luxus heraus, einen Kunden abzulehnen. Es gibt in vielen Unternehmen Marketingverantwortliche, die mit ihren Auftragnehmern auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Das ermöglicht kreative Performance. Und das sind genau die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten möchten. Wenn wir Spaß an der Arbeit haben und den Raum für Kreativität bekommen, erreichen wir auch hervorragende Ergebnisse. Das hat der Staatspreis für Design einmal mehr gezeigt. Mit dieser Strategie und einer soliden kaufmännischen Planung sind wir gut aufgestellt um kontinuierlich zu wachsen.
Dock 11: Danke, dass ihr euch Zeit für uns genommen habt!
Das Interview führte Tanja Begon
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