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Content & Crémant Vol. 15

Content & Crémant Vol 15


Beim letzten Content  & Crémant brüteten unsere Gäste noch in der Sommerhitze. Dieses mal zogen sich die zahlreichen Gäste gerne ins kuschelig warme Jules Verne zurück, schließlich lockte ein erneut spannender Themenabend. Eine ausführliche Vorstellungsrunde unserer Podiumsgäste benötigte unsere Moderatorin nicht mehr, beide sind im Saarland bekannte Gesichter – wenn auch in gänzlich unterschiedlichen Szenen. 

 

Sex, Crime & Wandern

Manuel Andrack, eigentlich Redakteur von Beruf, im Fernsehen als Sidekick von Harald Schmidt zu Bekanntheit gelangt, lebt seit 2008 im Saarland und bezeichnet sich selbst als Autor, Moderator und Wanderer. Er hat bisher 11 Bücher unterschiedlicher Genres veröffentlicht – zumeist über das Wandern, aber auch ein Werk über saarländische Kuriositäten, über Fußball und über den schreibenden Wirt einer Punkrock-Kneipe. 

Germaine Paulus, gebürtige Saarländerin und seit 27 Jahren im Herzen von Saarbrücken lebend, ist eigentlich studierte Kommunikationsdesignerin und Alumna der HBKsaar. Ihr literarischer Schwerpunkt steht quasi diametral zu Andracks Wanderpassion. Denn sie schreibt und verlegt bevorzugt Geschichten über Sex, Crime, Phantastic, Horror und Pulp. Jedoch, so ihr O-Ton, sei sie »privat ganz nett«. Schnell hat die herzlich-extrovertiert auftretende Germaine Paulus mit solchen und anderen Bonmots an diesem Abend das Publikum gewonnen, aber auch der entspannt-launig plaudernde Manuel Andrack sorgt für Vergnügen. Insbesondere, als er die Saarländer geschickt argumentierend als die eigentlich besseren Kölner darstellt. Germaines Vorschlag an Andrack wiederum, doch einmal ein richtig abseitiges, düsteres Buch zu schreiben, stößt auf Begeisterung – nicht nur bei dem Wanderautor. 

 

Das Glück des Promibonus

Manuel Andrack sieht im Thema des Wanderns ein sehr vielfältiges, kreatives Genre. Das Zufußgehen ziehe sich schließlich wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte. Andrack erachtet es als essentiell, beim Schreiben einen frischen Ansatz auch bei solch im wahrsten Sinne des Wortes ausgetretenen Themen wie Wandern zu finden. Gerade eine philosophisch-spirituelle Herangehensweise bei diesem Thema würde aktuell auf Interesse bei Verlegern stoßen, so seine Überzeugung. Auf die Frage von Isabel, wie er denn bisher die unterschiedlichen Verlage von seinen Buchideen überzeugen konnte, gab er unumwunden zu, dass sein der jahrelangen Fernsehpräsenz geschuldeter Promistatus tatsächlich dazu führte, dass Verlage bereits seit seinem allerersten Buch immer ihn angesprochen hätten, ob er nicht für sie schreiben möchte. Ein großes Glück für ihn, konstatierte er ganz unprätentiös. 

 

 »Wo man schreibt, ist Wurscht«

Als wirklich großen Vorteil seines neuen Berufslebens sieht er die Ortsungebundenheit an. Er zumindest könne eigentlich überall arbeiten. Im Gegensatz zu einem Verlag, so seine Ansicht, den gescheiterten Gollenstein Verlag aufführend, sei er bei der Wahl seines Arbeits- und damit Schreibortes ungebunden. Inspirierend auf ihn wirke besonders der Wald, vor dessen im Saarland reichlich vorhandener Kulisse er am liebsten an seinen Büchern arbeite. Das sieht Germaine Paulus ganz anders, denn das von Andrack präferierte Grün macht ihr Angst. Sie schreibt nachts und, geprägt durch durch unzählige gelesene wie geschriebene Horrorstories, gestand sie: »Ich hätte echt Schiss«. Was sie zum Schreiben braucht, ist Urbanität, eine lebendige Stadt, die urbane Geräuschkulisse. Deswegen genießt sie seit vielen Jahren ihre Wohnung inmitten des Nauwiesers Viertels. »Menschenlärm« inspiriere sie, Stille dagegen bereite ihr ernsthaft Probleme. 

The Dandy is dead

Germaine Paulus hat sich nicht nur als Autorin einen Namen erschrieben, seit 2018 mischt sie zusammen mit ihrem Ehemann auch die Verlagsszene auf. Mit ihrem eigenen The Dandy is dead–Publishing House widmet sie sich ganz ihrer Liebe zu abseitigem Phantastic, Horror, Crime und Pulp. Auf Isabel Sonnabends Frage, was sie zur Gründung bewog, gibt Germaine überraschend zu, dass Wirtschaftlichkeit dabei nicht im Vordergrund stand. Denn bereits in ihrer Diplomarbeit befasste sie sich mit Verlagsgründungen und wollte sich nun endlich einen langersehnten Wunsch erfüllen. Sie kann nun endlich Autoren selbst aussuchen, Geschichten publizieren, die ihr am Herzen liegen, und ganz wichtig: »Indy« sein. Für sie ist auch der Firmensitz im Saarland kein Nachteil. Als kleiner Verlag ohne Mitarbeiterstamm sei man auch in dieser Branche weitgehend frei bei der Standortwahl. Ihr finanzielles Hauptstandbein jedoch sind weder der Verlag noch ihre eigenen Bücher. Ihre Haupteinnahmequelle stellt einerseits das Texten für Werbeagenturen dar, andererseits ihr unabhängiges, durch Werbung finanziertes Filmmagazin Deadline. Dieses betreut sie seit 2007 als Mitgründerin und Mitherausgeberin und ihr Magazin wurde sogar mit dem saarländischen Staatspreis für Design ausgezeichnet. 

 

Ein Schaustellerdasein?

Eine weitere, in lauschiger Clubatmosphäre von Giovanni D’Arcangelos Club Jules Verne thematisierte Facette im Autorenalltag stellen Lesungen dar. Die betrachten aber beide Gesprächspartner eher kritisch. Laut Andrack gäbe es zwar Autoren, die mit mäßigen Verkaufszahlen, aber mehr als 200 Lesungen pro Jahr sogar davon leben könnten. Viele Verlage würden ihren Autoren aber dafür kein Entgelt zahlen und argumentieren mit der Möglichkeit, auf Lesetouren ja die eigenen Bücher verkaufen zu können. Angesichts eines geschätzten Anteils von 10% des Verkaufserlöses pro Buch, so der erfahrene Manuel Andrack, eher ein Zuschussgeschäft. Auch Germaine sieht die Lesungen kritisch, zu groß sei der Zeitaufwand im Verhältnis zu den Einnahmen.  Sie betrachtet solche Lesetouren als eine Art »Schaustellerdasein«. Dabei weist sie noch auf die finanziell prekäre Situation einer durchschnittlichen Autorin hin. Die Statistik der Künstlersozialkasse vermeldet einen jährlichen Durchschnittsverdienst von 12.000 € brutto. Eigentlich nahezu unmöglich, sich damit alleinig den Lebensunterhalt zu finanzieren. Der Markt sei angesichts von ca. 75.000 Neuerscheinungen in Deutschland jährlich dazu hart umkämpft, ihre Autoren hätten zum Lebensunterhalt überwiegend noch weitere Jobs. Harsche Kritik übt sie am Buchvertrieb durch Amazon, die sich diese Dienstleistung mit 50% des Verkaufspreises honorieren lassen würden. Eine weitere Falle könnten auch sogenannte Zuschussverlage darstellen, die im Vorfeld eine finanzielle Beteiligung vom Autor verlangen. Ihrer Ansicht nach sei dies unseriös. 

 

Das Leben ist keine Fernsehshow   

Der Autor Andrack, der sich unter anderem auch durch Wander–Promotion finanziert, betrachtet den Schritt aus der Fernsehwelt heraus in den Buchmarkt im Nachhinein als eher ernüchternd. Denn das Buchgeschäft sei im Vergleich zur Fernsehwelt eine reelle Branche, die sich an einem harten Fakt messen lasse: den Verkaufszahlen. Germaine unterstreicht dies, ein Erfolg gehe gerade in der Buchbranche schnell vorbei. Manuel Andrack betonte nochmals sein Glück, dass ihm als Autor weiter zur Seite stehe. Denn für sein neues Buch bekam er einen hohen Vorschuss vom Verlag, der ihm aktuell finanziell sehr zugute käme. Froh ist er auch darüber, es sich aufgrund seines Erfolgs leisten zu können, nur noch wenige Lesungen machen zu müssen. Jedoch soll sein aktuell in Arbeit befindliches Werk erneut mit einer Lesetour promotet werden.

 

»Schreibt!«

Zum Schluss des so kurzweiligen wie informativen Talks stellte Isabel Sonnabend die unvermeidliche finale Frage des »Wie geht es weiter?«. Sie wollte dazu aber auch noch wissen, was ihre beiden Gäste Nachwuchsautoren und -autorinnen als Rat mit auf den Weg geben können. Andrack widmet sich aktuell dem Schreiben seines neuesten Buchs und empfiehlt dem Nachwuchs, niemals etwas umsonst zu schreiben. Germaine Paulus verkündet abschließend, dass ihr 2018 gegründeter Verlag bis einschließlich 2020 durchgeplant sei und drei Neuerscheinungen anstehen. Sie habe viel zu tun und auch viel Spaß dabei, aber sie mache es nicht des Geldes wegen. Trotzdem ihr Rat: »Schreibt! Schreibt viel«!