Zum Inhalt Zum Hauptmenü
Neuigkeiten

Das Leben als Stand-up-Comedian muss man wollen. Aber dann ist es geil!

Comedy

Letzte Woche durften wir die saarländische Comedy-Elite zu Content und Crémant Vol. 18 begrüßen. Im Jules Verne stellten sich Luca Brosius, Zain Qureshi und Jochen Prang den Fragen von Isabel Sonnabend. Sie sprachen über den Nutzen kleiner und größerer Katastrophen, Angst und darüber, ob und wie sie von dem Leben als Stand-up-Comedians leben können. 

Ein gebürtiger Schwabe ist Luca Brosius, aber er wuchs im Saarland auf, wo der 27-jährige ein nicht ganz so kreatives Studienfach belegt: Betriebswirtschaftslehre. Vor sechs Jahren schon stand er zum ersten Mal auf der Bühne. Als tapsiger Frauenheld gibt er seit drei Jahren einen Mix aus Slapstick, Parodien und klassischen Comedy-Nummern auf bundesweiten Bühnen und Wettbewerben zum Besten. Mit den Parodien von beispielsweise Horst Schlämmer, Stefan Raab und Udo Lindenberg hat alles angefangen. Das liegt ihm, auch wenn er sich selbst beim Üben gar nicht so witzig findet, wie er sagt. Bei Parodien könne man prima die Rolle vor sich halten und muss nicht so viel von sich persönlich preisgeben, wie es im klassischen Stand-up üblich ist. Mit der Zeit hat er sein Repertoire dann erweitert, indem er sich ein Thema setzte, das er dann mit Leben füllte. Freizeitbeschäftigungen sind ein super Fundus, findet er. Seit 2017 tritt er nun bundesweit als Comedian bei diversen Comedy-Mix-Shows und Kleinkunstbühnen und hat schon einige Newcomerpreise gewonnen.

Einfach raus gehen und es durchziehen!


Mit dem Persönlichen hat Jochen Prang kein Problem. Wenn im Leben mal etwas schief geht, denkt er sich: »Das gibt wieder tolle 5 Minuten«. Er muss es wissen, denn er hat die meiste Bühnenerfahrung hier im Raum. Er war auch mal 27 und hat einen Fundus an Storys angesammelt, aus dem er plaudern kann. Als Radiomoderator lernte er in Saarbrücken bei Radio Salü sein Handwerk und absolvierte danach Stationen in Berlin und Nürnberg, wo er vor vier Jahren alle festen Sendungen abgab, um sich auf die Stand-up-Comedy zu konzentrieren. Mittlerweile ist er ein fester Bestandteil der deutschen Comedy-Szene, tritt regelmäßig im Quatsch Comedy Club auf und ist aktuell auf Tour in der D-A-CH-Region. Nicht zuletzt organisiert und moderiert er den Chaos Comedy Club
 in Mannheim, Karlsruhe und auch in Saarbrücken, im Jules Verne. 

Comedy ist eine Lebenshaltung 

Überhaupt, Lebensreife hält Prang für unverzichtbar. »Man muss mal erlebt haben, wie unfassbar schlimm es sich anfühlt, in einem Raum vor 30 Leuten einen Gag nach dem nächsten zu reißen während niemand lacht«, findet er. Das darf man nicht so ernst nehmen, wie eigentlich nichts im Leben. Mit dieser Haltung entwickelt man aus den kleinen und großen Katastrophen des Lebens die richtig guten Gags. Mit einer der größeren Katastrophen seines Lebens hat Zain Qureshi seine Comedy-Laufbahn gestartet. Vor vier Jahren saß er mit einem guten Freund zusammen, beide frisch getrennt, voller Schmerz und fest entschlossen, daraus eine Lachnummer zu machen. Mit der bewarben Sie sich dann auf dem Trierer Comedy-Slam. Dass das ein recht ambitioniertes Vorhaben war, wurde ihnen spätestens beim Anblick der vielen ungläubigen Gesichter dort bewusst, als sie erzählten, dass sie zum ersten Mal auf die Bühne gehen − vor rund 600 Zuschauern. Eine weitere Lehre des Abends war, dass nicht nur Saarbrücken ein Dorf ist. Der erste Platz des Abends ging an Prang. Die beiden Newcomer machten den Zweiten. Bäm!
Bei seinem ersten Solo-Auftritt wurde er als »Zain oder nicht Zain« gleich von einer weiteren Überraschung erwartet. Seit zwei Monaten im dualen Studium Einzelhandel entdeckte er im Publikum seinen Chef. Das Programm für den Abend lebte weitestgehend von den Macken der Supermarktkunden. Was sollte da schon schief gehen? 

Die Angst ist bei jedem Auftritt mit am Start

Mit der Angst, diesen Saal vielleicht mit Ruhm aber ohne Job zu verlassen, ging er auf die Bühne. Er verlor seinen Job nicht. Ob das daran lag, dass der Chef frisch verliebt war, dass die Nummer einfach sagenhaft gut war oder einfach daran, dass er niemand Bestimmtes bloß stellte, das kann nicht mehr zweifelsfrei aus der Legende extrahiert werden. Gesichert ist hingegen, dass Qureshi wieder den 2. Platz machte. Die Angst, gerne auch Lampenfieber genannt, ist ein ständiger Begleiter auf der Bühne, auch für einen Profi wie Prang. Und das ist auch gut so, findet er: »Ohne Angst ist man gar nicht fokussiert.« Auch Brosius, der auf Bühnen vor zehn Leuten genauso wie vor mehreren Hundert Zuschauern schon mit dem Lampenfieber kämpfen musste, sagt: »Da muss man raus und es einfach durchziehen,« auch wenn die schlimmste Befürchtung wahr wird und niemand lacht. Eine Erfahrung, die übrigens alle auf der Bühne schon einmal gemacht haben. Oft einfach nur, weil auf den offenen Bühnen manchmal die Erwartung des Publikums nicht zu dem Künstler auf der Bühne passt.

Open Mics bieten Chancen für Newcomer und Testbühnen für Altgediente

Aber die Open Mics sind unverzichtbar für erste Auftritte, die vielleicht zehn Minuten gute Gags bringen, wenn es gut läuft. Aber auch die Großen der Branche nutzen dieses Format, um ihre neuen Nummern zu testen. Wenn eine nicht gut ankommt, wird sie weiterentwickelt oder verworfen. Das ist das übliche Schicksal eines mit viel Liebe und Zeit entwickelten Gags. Alltagsbegebenheiten werden notiert, manchmal erst nach langer Zeit wieder ausgepackt, durchdacht, mit einer Dramaturgie versehen, liegen gelassen, weiter durchdacht und dann auf offenen Bühnen getestet, wieder weiter bearbeitet, vielleicht noch einmal getestet. Am Ende bleiben von 20 Ideen bestenfalls fünf übrig, die dann idealerweise irgendwann in ein abendfüllendes Programm übernommen werden. Kreativität braucht Zeit und Raum, das gilt auch für die kurzen und knackigen Nummern, die mit so viel Leichtigkeit vorgetragen werden. Wie genau diese Notizen festgehalten werden, wie der Entwicklungsprozess gestaltet wird, das unterscheidet sich. Aber der große Bogen der Entwicklung eint die Stand-up-Comedians, auch die langjährigen Profis. An den Open Mics in München trifft man auch Michael Mittermeier immer wieder an, der dort seine Nummern testet. 

Im Saarland nimmt die Comedy- Branche Fahrt auf

Seit 2019 gibt es im Jules Verne den Chaos Comedy Club, eine Show für die Prang bekannte Namen mit Geld ins Saarland lockt und dann aber auch immer einen Newcomer-Slot vergibt. Der für April ist übrigens noch nicht vergeben. Zain Qureshi veranstaltet seit Mai 2019 zusammen mit seinem Kumpel Donald Bokumabi an der Uni in Kooperation mit dem AStA der Uni des Saarlandes den Slam Comedy 101 und kündigt an, dass auch für das Jules Verne ein weiteres Comedy-Format in Planung ist. Von Konkurrenz wollen die drei auf der Bühne gar nicht sprechen. Der Wettbewerb im Saarland verträgt noch ein paar Formate und vor allem führt er zu Netzwerken und einem gemeinsamen Wachstum, sind sie sich einig. »Warum sollte ich in eine Stadt wie Berlin oder Köln gehen, wo es 20-30 Open Stages gibt, die sich tatsächlich an einem Abend Konkurrenz machen, wenn es hier kaum was gibt und ich hier einfach was selbst machen kann?«, fragt Qureshi. 

»Man muss sehr lange überleben, dann kann man davon leben«

Jochen Prang hat 2016 seinen Job im Radio auf ein Minimum reduziert und beschlossen, jetzt alles auf die eine Karte zu setzen und sich ganz und gar der Bühne hinzugeben. In der ersten Zeit schlief er nur selten in seiner kleinen Wohnung, war ständig auf Tour um sichtbar zu sein und sein Netzwerk aufzubauen. Nach einer Weile kannte er die Veranstalter, arbeitete mit anderen Stand-up-Comedians zusammen und ist mittlerweile in der Lage, selbst Host für Newcomer zu sein. Reihum erzählen die drei Geschichten, in denen sie durch die halbe Republik gurkten, um dann zehn Minuten Programm abzuliefern, für 80 Euro oder auch gar keine Gage. »Das muss man echt wollen! Denn man muss sehr lange einfach überleben, ehe man davon leben kann«. Da wird schnell deutlich, dass ein wirtschaftliches Sicherheitsnetz besonders in der ersten Erprobungsphase mehr als sinnvoll ist. Aber irgendwann kommt immer der Punkt, an dem »alles nur noch unter Strom läuft«, wie Brosius es formuliert. Dann hindert der Mangel an Zeit und Fokussierung daran, weiter zu kommen. Er will erst sein Studium fertig durchziehen, aber sein Herz schlägt ganz klar für die Kreativität und das Leben auf der Bühne. Qureshi bereitet sich gerade darauf vor, die Karriere im Einzelhandel aufzugeben. Die ist für ihn keine Option für den Rest seines Lebens und auch Prang will auf der Bühne bleiben, bis er mit den Füßen voran dort herunter getragen wird. Mit viel Mut und einer Prise Sur-Realismus geht da was in der Comedy-Szene – auch im Saarland, wo gerade richtig Bewegung in die Sache kommt. Wir sind gespannt!

Tanja Begon