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Best Practice

Das Netzwerk stimmt, nur die Kohle fehlt!

Dass man trotzdem Erstaunliches auf die Beine stellen kann, zeigten die Speaker der Aprilausgabe von Content und Crémant. Die Dock 11 Netzwerk-Veranstaltung war dieses Mal in der Fase 15 zu Gast und stand ganz im Zeichen des Themas „Film im Saarland“. Daher war es auch nicht weiter verwunderlich, dass das Gespräch sich auch immer wieder um den Wert von Netzwerken drehte.  Denn gerade und ganz besonders in wirtschaftlich schwierigen Branchen geht nichts ohne Zusammenhalt.
Auf der Bühne saßen Philipp Majer von Bunkhouse Film, Wolfgang Reeb, Schauspieler, Produzent und Netzwerker, Jörn Michaely , der Organisator des Bundesfestival junger Film 2019.  Moderiert wurde der Abend von Marisa Winter.

Das Netzwerk stimmt, nur die Kohle fehlt! 11

Den Abend eröffnete Wolfgang Reeb mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für das Netzwerken. 2016 initiierte der Schauspieler und Produzent den ersten Filmtreff SaarLorLux im Rahmen der Berlinale. Die Kernfrage, die ihn damals leitete, war die nach der erfolgreichen Selbstvermarktung. Als im Saarland lebender Filmschaffender braucht man Verbindungen über die Region hinaus, wenn man arbeiten will.
Denn das Saarland, so erläutert Moderatorin Marisa Winter, bilde mit Abstand das bundesweite Schlusslicht, wenn es um die Filmförderung geht: Knapp 8 Cent pro Einwohner und Jahr. Den vorletzten Platz belege Niedersachsen mit 1,27 €. Das ist schon ein ziemlicher Sprung. Bis zum Spitzenreiter Brandenburg mit 5,25 € pro Jahr und Kopf müsse man ja gar nicht reichen. Da sind sich alle einig. Aber eines ist klar: Da ist noch verdammt viel Luft nach oben.
Nach seiner Motivation befragt, gibt Reeb die üblichen Motivatoren an: Wut und Leidenschaft. Mit Letzterer und dem Einsatz seines privaten Vermögens bringt er seine Netzwerkveranstaltung voran: Dieses Jahr expandiert der Film Treff nach Hamburg, dort lädt er am 30. September gemeinsam mit der Filmfabrique Hamburg zum Networking junger Kulturschaffender, Schauspieler und Regisseure im Rahmen des Filmfests Hamburg. Sein vorgezogenes Erbe an alle, wie er sagt.

Nach seiner Motivation befragt, gibt Reeb die üblichen Motivatoren an: Wut und Leidenschaft.

Eher als Soloprojekt hat Philipp Majer seinen gerade erschienen Dokumentarfilm World Taxi produziert. Sechs Jahre hat es von der ersten Idee bis zur Realisierung gebraucht. J.J., ein Taxifahrer in der Nähe von New Mexico, hatte es ihm auf einer Fahrt so angetan, dass er ihn filmte. Er dachte an Jim Jarmuschs Night on Earth und als Dokumentarfilmer war die Adaption als Idee schnell geboren. Die anschließende Finanzierung war dann allerdings ein zähes Abenteuer. Nach einer Zusage der Landesmedienanstalt putzte er weiter Klinken in Berlin und Köln. Aber außer warmen Worten und enthusiastischen Idee kam dabei nichts rum. Also beschloss er, den Film eben mit 12.000 € selbst umzusetzen. Ein mutiger Entschluss, denn damit musste er von den Reisekosten bis zur Postproduction alles stemmen. Also machte er das meiste selbst. Natürlich hätte er gerne andere mit ins Boot geholt, mehr Vor-Ort-Recherche betrieben und auch mehr Zeit mit den Protagonisten verbracht. Es wäre auch schön gewesen, wenn J.J., mit dem alles begann, hätte mitmachen können. In der langen Finanzierungsphase hatte der jedoch die Taxifahrerei längst an den Nagel gehängt. So hat er die meisten seiner Taxifahrer über das Internet rekrutiert und auch jeweils nur wenige Tage mit ihnen verbringen können. Jammern möchte er nicht, Majer lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass als Dokumentarfilmer kein Geld zu verdienen ist. Leben tut er von Auftragsarbeiten, wie Imagefilmen. Dass das okay ist und auch Spaß macht, glaubt man Philipp gerne. Dass sein Herz für den Dokumentationsfilm schlägt, den er immer nur zwischenschieben und auf finanziell halber  Flamme kochen kann, ist aber auch klar. Wer sich das neueste Herzblutprojekt anschauen möchte, hat am Freitag, 3. Mai die Gelegenheit. World Taxi feiert dann Vorpremiere im Filmhaus.

Jammern möchte er nicht, Majer lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass als Dokumentarfilmer kein Geld zu verdienen ist.

Der Letzte in der Runde, der sich und sein aktuelles Herzensprojekt vorstellt, ist Jörn Michaely. Er ist unter vielem anderen der künstlerische Leiter des Bundesfestival junger Film, das dieses Jahr zum zweiten Mal vom 30. Mai bis zum 2. Juni in St. Ingbert stattfindet. So ein Festival, auf dem 79 Filme gezeigt werden und sich gut 80 helfende Händepaare bewegen, schafft man nur dann ehrenamtlich aus dem Nichts, wenn man wirklich verdammt gut vernetzt ist. Das muss Michaely gar nicht explizit aussprechen, das versteht sich von selbst.

79 Filme und 80 helfende Händepaare stecken hinter filmreif!

Natürlich ist der Kurzfilm eine eigene Kunstform. Aber er ist eben auch das Format, mit dem die jungen Filmemacher debütieren. Gerade sie müssen Netzwerke knüpfen und das ist ja im Grunde die Kernidee eines jeden Festivals, vor allem aber auch die, die sich Michaely und sein Team auf die Fahne geschrieben haben. Dieses Jahr erhält das Festival finanzielle Zuwendungen und mehr Unterstützung in der Infrastruktur, aber was zur Zeit ein Fulltime-Job ist, wird nicht zur Deckung der Lebenshaltungskosten aller Beteiligten finanziert. Auch hier treibt die Leidenschaft an und die Hoffnung, dass der Erfolg auch Financiers zieht.
Eines wird deutlich: Die Filmwirtschaft im Saarland ist klein und hat es nicht leicht. Aber sie ist leidenschaftlich und bestens vernetzt und stellt so trotzdem Erstaunliches auf die Beine.

Von Tanja Begon