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»Der saarländische Film existiert berechtigt.«

Die Saarland Medien GmbH fördert auch in diesem Jahr wieder Projekte saarländischer Filmschaffender. Wir sprachen deswegen mit Steffen Conrad, Referent für Filmförderung und Filmcommission, unter anderem über die Angebote der Saarland Medien GmbH, die über die Filmbranche hinaus reichen, die aktuelle Filmförderrunde und den Filmstandort Saarland. 

»Der saarländische Film existiert berechtigt.«

  

Dock 11: Lieber Herr Conrad, schön, dass Sie sich für unsere Fragen Zeit nehmen! Die Saarland Medien GmbH fördert seit 25 Jahren die Entwicklung des Medienstandortes im Saarland. Was war 1998 die Intention zur Gründung? Wie hat sich das Aufgabengebiet seither verändert? 

Steffen Conrad: Bereits vor der Saarland Medien GmbH gab es eine höchst aktive Szene, die sich im Saarländischen Filmbüro e. V. organisiert hatte. Mit der Zeit wurde eine Institution notwendig, die unabhängig der heterogenen Interessenslagen innerhalb der Szene agieren konnte. Seitdem hat sich viel getan. Neben der Durchführung und Abwicklung der eigentlichen Filmprojektförderung, die sich in den letzten Jahren weiter in die Unterstützung der einzelnen Produktionsphasen ausdifferenziert hat, fördern wir den saarländischen Kinostandort, sowohl institutionell als auch projektbezogen. In allen Fällen verstehen wir uns dabei nicht nur als simpler Geldgeber, sondern als Partner der Branche, der versucht, im engen Austausch und unter den gegebenen Bedingungen funktionierende Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen der Film- und Kinostandort im Saarland sich weiterentwickeln kann. Dabei agieren wir uns auch als Bindeglied zwischen der Medienförderung und der Politik und suchen auch Synergieeffekte in den nachbarschaftlichen Beziehungen mit den angrenzenden Ländern. Das grenzüberschreitende Filmnetzwerk CinEuro, das 2020 entstanden ist, bildet dafür das Fundament. Als Film Commission haben wir die Aufgabe, den Filmstandort zu vermarkten – d.h. die Filmwelt von den spannenden Filmlocations des Saarlandes zu überzeugen. Um die Chance auf internationale Wahrnehmung zu haben, haben wir uns den »German Film Commissioner« angeschlossen, die den gesamtdeutschen Filmstandort auf der Weltbühne präsentieren.

Dock 11: Welche unterschiedlichen Leistungen bietet Saarland Medien für die Film-, aber auch andere Branchen an? Wer kann diese nutzen und wie stark ist hier die Nachfrage?

Steffen Conrad: Die Saarland Medien vergibt projektbezogene Fördergelder und unterstützt auch Filminstitutionen, vorneweg das Filmfestival Max Ophüls Preis oder auch saarländische kommunale Kinos. Seit der Coronapandemie ist zudem die Unterstützung des Kinostandortes stärker in den Fokus gerückt. Neben der Vergabe einer kleinen Abspielförderung erarbeiten wir, zusammen mit der Branche und der Politik, Konzepte, mit denen der Kinostandort gestärkt wird – so können wir in diesem Jahr erstmalig gemeinsam mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit das Familien-Kinofest ausrichten oder auch ein eigenes Förderangebot für Kinobesuche von Jugendeinrichtungen und Vereinen mit einer aktiven Jugendarbeit anbieten.
Darüber hinaus haben wir zusammen mit dem »Filmfestival Max Ophüls Preis« und der saarländischen Landesvertretung ein Netzwerk aufgebaut, über welches saarländische Filmschaffende Zutritt zur deutschlandweiten Filmbranche erhalten. Überwiegend geschieht dies durch die Organisation von Branchenveranstaltungen, wodurch auch insbesondere die Gastro- und Eventbranche profitiert. Unsere Leistungen stehen prinzipiell allen offen, die am saarländischen Filmstandort aktiv werden oder saarländische Geschichten audiovisuell umsetzen möchten. Dabei sind wir recht genre- und gattungsoffen, solange sie die Einreichkriterien erfüllen und das Projekt filmgenuin angelegt ist. Musikvideos zum Beispiel haben es schwer, weil sie nicht als narratives Filmwerk wahrgenommen werden. Von der Förderung ausgenommen sind natürlich pornographische und gewaltverherrlichende Filme.
Darüber hinaus wenden wir uns aber auch an die saarländischen Filmfestivals, die wir mit Preisstiftungen oder auch unmittelbar mit Förderungen unterstützen.

Wenn wir schon nicht mit Geld locken können, dann vielleicht mit einzigartiger saarländischer Ästhetik und einem filmfreundlichen Netzwerk.

Dock 11: Sie haben auch die Funktion einer Filmcommission. Können Sie uns deren Aufgaben näher vorstellen? 

Steffen Conrad: In größeren Filmfördereinrichtungen stellt die Film Commission normalerweise eine eigene Abteilung dar, deren Aufgabe es ist, den eigenen Filmstandort zu vermarkten, also möglichst viele Produktionen und Drehtage ins Bundesland zu holen – durchaus auch mit internationalem Anspruch. Das geschieht insbesondere mittels der Bewerbung besonderer Filmlocations und einer grundlegenden Darstellung der Fördermöglichkeiten. Dabei dient die Film Commission auch als Vermittler zwischen Produktionen und Behörden oder Motivgeber:innen sowie zwischen Produktionen und Filmdienstleister:innen. Im Saarland begegnen wir dieser Aufgabe insbesondere mit dem Location Guide, aber natürlich bewerben wir das Saarland auch auf unseren Branchenveranstaltungen. In den kommenden Jahren wollen wir verstärkt auf die Bewerbung unserer Top-Locations setzen. Wenn wir schon nicht mit Geld locken können, dann vielleicht mit einzigartiger saarländischer Ästhetik und einem filmfreundlichen Netzwerk. Zudem sind wir seit diesem Jahr wieder Teil der German Film Commission und bewerben im Verbund mit den anderen Film Commissions der Bundesländer Deutschland als einheitlichen Filmstandort.

Dock 11: Die aktuelle Runde der Filmförderung läuft noch bis zum 29. September 2023. Wer kann die saarländische Filmförderung denn beantragen?

In den kommenden Jahren wollen wir verstärkt auf die Bewerbung unserer Top-Locations setzen.

Steffen Conrad: Neben der Grundvoraussetzung, dass es sich um ein audiovisuelles Projekt handeln muss, gibt es zwei Einreichkriterien: Der Regionaleffekt, d.h. mindestens die Fördersumme muss im Saarland verausgabt werden und der Saarlandbezug, d.h. der Stoff muss entweder im Saarland verortet sein oder der/ die Antragsteller:in selbst ist Saarländer:in.

Dock 11: Das Förderprogramm unterstützt Filmschaffende in den Bereichen Stoff- und Projektentwicklung, Produktion sowie Präsentation und Vermittlung. Können Sie unseren Leser:innen kurz erläutern, welche Aktivitäten die Saarland Medien GmbH hier genau fördert? 

Steffen Conrad: Wir unterteilen die Herstellung eines Films in mehrere Produktionsphasen. Unabhängig von der Filmgattung und dem Format – bei einem Dokumentarfilm sind die Grenzen in der Regel fließender als bei fiktionalen Filmen. Am Anfang steht die Stoffentwicklung, die bei fiktionalen Filmen üblicherweise mit einem produktionsreifen Drehbuch endet und bei Dokumentarfilmen mit einem Konzept. Im Fokus der Förderung steht also die Recherche und das Schreiben. Mit der Projektentwicklungsförderung bieten wir die Möglichkeit, Zwischenphasen zu fördern, die in der Regel vor der Produktion liegen, also beispielsweise die Locationsuche, Castings oder Probeaufnahmen. Anschließend folgt die eigentliche Produktionsförderung, mit der wir dann den Produktionsablauf inkl. der Postproduktion unterstützen. Und am Ende steht dann eine Vertriebsförderung, die bei uns etwas kryptisch »Förderung von Präsentation und Vermittlung« heißt. Das sind die Fördermaßnahmen für Filmprojekte. Für Kinos haben wir noch das Instrument der Abspielförderung, mit dem wir Kinos bei Investitionen oder bei innovativen Marketingmaßnahmen unterstützen. Unser Budget ist für all diese Maßnahmen leider recht klein.

Dock 11: Das Saarland ist kein klassischer Filmstandort. Können Sie uns einen kleinen Überblick der saarländischen Filmlandschaft und deren Potentiale geben?

Der saarländische Film existiert und er existiert berechtigt.

Steffen Conrad: Je nachdem, welchen Vergleichsmaßstab man anlegt, stimmt das. Das Saarland verfügt sicherlich nicht über die Infrastruktur und die Finanzkraft, wie sie die drei/ vier großen Medienmetropolen in Deutschland aufweisen. Von daher stehen saarländische Filmemacher und Filmemacherinnen vor Herausforderungen, die an anderer Stelle sicherlich leichter zu lösen sind. Aber der saarländische Film existiert und er existiert berechtigt, auch wenn er sich nicht durch Blockbuster-Kino oder High End-Serien auszeichnet. Aber prinzipiell verfügt das Saarland über alle technischen Voraussetzungen, um hier professionell und kreativ an fiktionalen und dokumentarischen Filmen arbeiten zu können. Die Wirtschaftlichkeit ist dabei vielmehr das Problem. Das unternehmerische Risiko, einen Film vom Saarland aus zu produzieren, ist in Anbetracht unseres geringen Fördervolumens und des daraus resultierenden höheren Finanzierungsbedarfs wesentlich höher als an anderen Standorten. Der Dokumentarfilm kommt i.d.R. mit weniger Budget aus, deshalb haben es Dokumentarfilmproduzent:innen im Saarland leichter. Aber im fiktionalen Bereich muss man leider konstatieren, dass lediglich die Herstellung von Kurzfilmen realistisch ist – Auftragsproduktionen von Sendern ausgenommen.
Unabhängig davon stellen wir in den Förderrunden auch immer wieder fest, dass das Gros der Antragssteller:innen sich im kreativen Segment der Filmproduktion sieht. Die Produktionsseite wird leider immer nur als notwendiges Übel angesehen, das erledigt werden muss. An dieser Stelle müssen wir als Förderer sicherlich noch weitere Angebote, wie beispielsweise Workshops zur Erstellung von Kalkulationen oder zum Thema produktionsrelevante Prozessoptimierung etablieren, damit an dieser Stelle eine höhere Expertise in der saarländischen Filmbranche aufgebaut werden kann.

Dock 11: Welche Rolle spielen für den Filmstandort Ihrer Meinung nach Institutionen wie die HBK Saar – aber auch Festivals wie das Max Ophüls Festival oder das Bundesfestival junger Film?    

Steffen Conrad: Die gesamte saarländische Festivallandschaft, und hier das FFMOP vorneweg, ist für den saarländischen Filmstandort unermesslich wichtig. Unabhängig davon, dass diese Festivals das Thema Film und Filmkultur in den öffentlichen Fokus rücken und offenlegen, dass es sehr viele, sehr gute Filme jenseits des Netflix-Mainstreams gibt, sind sie als Austauschplattform für saarländische Filmschaffende unheimlich wichtig. Die saarländische Festivallandschaft bildet schon einen erheblichen Teil des Selbstverständnisses des Saarlandes als Filmstandort aus.
Die Bewegtbildstudiengänge der HBK Saar sind für den Filmstandrot Saarland ebenso extrem wichtig. Zum einen weil die Studierenden hier das Handwerkszeug der Filmherstellung erlernen, aber auch für künstlerische Prozesse sensibilisiert werden. Die HBK Saar befähigt somit junge Menschen, gesellschaftliche Phänomene ästhetisch aufzubereiten und bildet junge Stimmen aus, die ihren Blick auf die Welt erzählen.

Es stellt sich schon immer die Frage, wann und wo jeder Fördereuro am sinnvollsten eingesetzt ist.

Dock 11: Wie gut sieht sich die saarländische Filmförderung im bundesweiten Vergleich aufgestellt? Genügen die zur Verfügung stehenden Mittel, um die saarländische Filmbranche adäquat zu unterstützen?

Steffen Conrad: Nein. Im bundesweiten Vergleich verfügt die saarländische Filmförderung über den mit Abstand kleinsten Fördertopf. Vor diesem Hintergrund stellt sich schon immer die Frage, wann und wo jeder Fördereuro am sinnvollsten eingesetzt ist, wo es Hebeleffekte gibt oder wen man
mit seinem/ ihrem Projekt am weitesten pushen kann. Und dennoch bleiben immer wieder gute und wichtige Projekt auf der Strecke.
Wir haben das Glück, dass die Saarländerinnen und Saarländer prinzipiell sehr offenherzige Menschen sind und sich gut mit anderen vernetzen können. Auf die Weise konnte schon das eine oder andere Projekt auf größere Beine gestellt werden. Philipp Majer fand für seinen Dokumentarfilm »World Taxi« zwei junge Filmverleiherinnen, weil diese den Film beim FFMOP in der Watchlist Saar gesehen hatten.
Ein anderes Beispiel ist Alison Kuhn, die wir anlässlich der Veranstaltung Marktplatz Drehbuch, ebenfalls beim FFMOP, einluden, ihren fiktionalen Debutfilm »Herrgottscheißerchen« zu pitchen. In der Folge lernte Sie die Produzenten der Niama Film GmbH aus Stuttgart kennen, die die Produktion übernahmen. Oder nehmen Sie auch Tarek Ehlail, den wir auf einer unserer Berlinale-Veranstaltungen mit Ulf Israel, Geschäftsführer von Senator Film Köln, zusammenbringen konnten und die nun gemeinsam eine Serie entwickeln.

Dock 11: Wir befinden uns aktuell in einem umfassenden Strukturwandel. Welchen Beitrag können die Bereiche Film, Medien und Games dazu leisten, diesen erfolgreich zu bewältigen?

Als Kulturgut hat Film die Aufgabe, den Strukturwandel im Saarland zu begleiten und zu kommentieren.

Steffen Conrad: Film, Medien und Games – das sind durchaus unterschiedliche Perspektiven und Möglichkeiten – und da möchte ich gerade meinen Kollegen und Kolleginnen aus der Gamesförderung nicht vorgreifen – die können das Thema besser beurteilen als ich. Zum Thema Film kann ich mich aber äußern und auch konstatieren, dass an der Nahtstelle der audiovisuellen Narration es Synergien mit der Gamesbranche gibt.
Die Filmbranche hat ja die Eigenschaft, dass sie ein Zwitter aus kulturellem Anspruch, und dazu zähle ich auch die Unterhaltung, und wirtschaftlicher Komplexität ist. Als Kulturgut hat Film die Aufgabe, den Strukturwandel im Saarland zu begleiten und zu kommentieren, die
Herausforderungen unserer Zeit aufzuzeigen und unser Handeln mit einem mahnenden Blick in die Zukunft zu bewerten. Hier spielt der saarländische Film eine wichtige Rolle für unser kulturelles Gedächtnis.
Als Wirtschaftsbranche kann der saarländische Film den Strukturwandel wohl nur mittelbar beflügeln. Um unmittelbar positiv auf den Strukturwandel zu wirken, fehlt es – leider – an wirtschaftlicher Relevanz. Aus dem Forschungsbereich der Informatik könnte ich mir das eine oder andere audiovisuelle Projekt vorstellen, das die Filmbranche bundes- oder vielleicht auch weltweit nach vorne bringt. Wenn es dann gelingt, dass innerhalb des Saarlandes aus diesen Forschungsergebnissen auch wirtschaftlich tätige Unternehmen erwachsen, wäre das ein großer Erfolg.

Dock 11: Lieber Herr Conrad, herzlichen Dank für ihre Zeit und die detaillierten Ausführungen! Wir wünschen Saarland Medien weiterhin viel Erfolg bei ihren vielschichtigen Aufgaben!

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