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Best Practice

»Die Grenzüberschreitung ist für uns eine einmalige Chance«

Wir sprachen zum Start der Musikfestspiele Saar am 3. Juni 2023 mit dem Intendanten Bernhard Leonardy und der freiberuflichen Kommunikationsdesignerin Ilka Fugmann, die für das Corporate Design des Festivals zuständig ist.

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Die bereits seit 1989 stattfindenden Musikfestspiele Saar bilden einen wichtigen Pfeiler in der saarländischen Kulturlandschaft mit überregionaler und insbesondere grenzüberschreitender Strahlkraft. Überall im Saarland finden während der fünfwöchigen Festivalzeit vom 3. Juni bis zum 15. Juli 2023 Klassik-Konzerte zum Teil an außergewöhnlichen Orten oder Off-Spaces statt. Eines der Highlights der diesjährigen Ausgabe wird ein Konzert im französischen Verdun anlässlich des 60. Jahrestages des Elysée-Vertrags sein. Wir sprachen mit dem Intendanten Bernhard Leonardy sowie mit Ilka Fugmann, die als freiberufliche Kommunikationsdesignerin für das Festival arbeitet, unter anderem über die diesjährige Ausgabe, die Verzahnung mit der saarländischen Kreativwirtschaft und darüber, wie man Bob Dylan nach Saarbrücken lockt.

Dock11: Liebes Team der Musikfestspiele Saar, danke, dass ihr euch die Zeit für unsere Fragen nehmt! Die Musikfestspiele Saar gibt es bereits seit 1989. Was war die damalige Intention, dieses Festival ins Leben zu rufen und was ist das Geheimnis eures dauerhaften Erfolgs?

Bernhard Leonardy. Foto: Dirk Guldner.

Bernhard Leonardy: Das große Vorbild des Schleswig-Holstein Musikfestivals um den Pianisten Justus Frantz war Anstoß und Messlatte zugleich, auch im Saarland kulturelle Attraktivität durch internationale Gäste an besonderen Spielstätten zu verorten. Anfangs eine Familieninitiative, zählen wir heute 950 Personen in unserem Förderverein und haben eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Unterstützern und Institutionen seit Jahrzehnten. Das Geheimnis besteht aber nicht nur in dieser festen Verankerung in der saarländischen Gesellschaft, sondern in der Kunst einer ständigen Neuerfindung und Fortentwicklung, in den letzten Jahren verlangten hier die Veränderungen der Gegenwart ein kräfteforderndes Spitzentempo.

Dock 11: Das Programm eures Festivals ist sehr breit und international aufgestellt, so konntet ihr unter anderem bereits Bob Dylan für ein Konzert engagieren. Wie schafft ihr es immer wieder, solche Big Player für das Saarland zu gewinnen?

Bernhard Leonardy: Hier ist eindeutig unsere Tradition der einmalige Joker. Wir können darauf verweisen, daß sich Weltstars die Türe in die Hand gegeben haben, die Musikfestspiele Saar spielen hierbei in der Championsleague und sind in der Musikszene weltbekannt. Für das Saarland konnten wir dadurch auch nachhaltig die Attraktivität steigern, ein Gerhard Richter ohne Musikfestspiele Saar, undenkbar. 

Die Musikfestspiele Saar spielen hierbei in der Championsleague.

Dock 11: Ihr realisiert immer wieder Konzerte an außergewöhnlichen Orten und Off-Spaces wie beispielsweise in den ehemaligen Produktionshallen von Halberg Guss oder dieses Jahr in einem Anatomie-Hörsaal. Welche Rolle spielen solche ungewöhnlichen wie atmosphärischen Orte für euer Festival, das Publikum aber auch die Künstler:innen? 

Links: Gerhard Richter, rechts: Bernhard Leonardy. Foto: Frank Bredel.

Bernhard Leonardy: Das Spannungsfeld von Musik an ungewöhnlichen Spielorten ist für uns der Magnet, neue Besucher zu aktivieren.
Wir haben als Musikfestspiele – zudem doppelt gemeinnütziger Struktur – die Aufgabe, die Türen offen zu halten. Offen für Neueinsteiger, offen für Besucher von außen, offen für Kinder und Jugendliche, offen für völlig andere Sparten, die wir durch eine gezielte Themensuche aktivieren können. Wir sind hier ein entscheidender Baustein der Weitergabe von Musik höchster Qualität an die nächste Generation, auch durch ein offenes Konzept einer herzlichen Willkommenskultur.

Dock 11: Ihr betont in eurem Programm das Grenzüberschreitende und die Einbindung von Nachwuchsmusiker:innen sowie unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Könnt ihr unseren Leser:innen den lebenspraktischen Hintergrund dazu erläutern? 

Bernhard Leonardy: Die Grenzüberschreitung, das deutsch-französische, aber auch im übergeordneten Sinne, ist für uns eine einmalige Chance, uns im Reigen anderer Festivals mit einem besonderen Konzept hervorzuheben und ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Ein Landesmusikfestival hat nur Erfolg, wenn es nicht am Schreibtisch entwickelt wird, sondern nur im Dialog und der Kooperation mit den Menschen vor Ort, also den Institutionen, Chören, Verbänden, Gruppierungen, Vereinen, Religionen usw.
Hier haben wir Nachhaltigkeit bewiesen, es gilt nun, dieses Markenzeichen auch von Seiten der Landesregierung nachhaltig zu verankern. Hier müssen wir nun nach vielen Jahrzehnten zu einer planungssicheren Lösung kommen, im Interesse aller Beteiligten.

Dock 11: Das Saarland steckt ja mitten im Transformationsprozess. Können Festivals wie die Musikfestspiele hierzu einen Beitrag leisten und wenn ja, welchen? 

Unserer Ansicht nach ist die ist Kultur und die große Kraft der Musik die einzige Größe, die Menschen dazu zu bewegen, nicht in alten festgefahrenen Vorstellungen zu verharren.

Bernhard Leonardy: Es zeigt sich, wie schwierig es ist, die Menschen in einem Transformationsprozess mitzunehmen, geschweige denn zu begeistern. Unserer Ansicht nach ist die Kultur und die große Kraft der Musik die einzige Größe, die Menschen dazu zu bewegen, nicht in alten festgefahrenen Vorstellungen zu verharren. Musik auf höchstem Niveau mit einem genreübergreifenden und sozialen Anspruch führt ein Land eindeutig nach vorne.

Konzert 2022 in der Industriehalle Meiser. Foto: Dirk Guldner.

Dock 11: Ein Festival solch einer Größe bedarf zahlreicher Mitwirkender, in erster Linie aus dem musikalischen Bereich. Wie wichtig ist für euer Festival die Expertise auch anderer Branchen der Kreativwirtschaft?

Bernhard Leonardy: Natürlich spielt ein zeitgemäßes Branding heutzutage eine noch wichtigere Rolle, wir möchten den Spagat wagen zwischen dem Bewahren wichtiger Traditionen und der Aufgabe, ein Anker der Beständigkeit für einen Halt der Menschen durch Kultur zu sein. Gleichzeitig möchten wir uns aber auch Neuem stellen und es kooperierend unterstützen, sofern es das Menschsein fördert. Hier brauchen wir dringend den Schulterschluss und die Expertise mit der Kreativitwirtschaft.

Seit 2019 gestaltet die Kommunikationsdesignerin Ilka Fugmann das CI der Musikfestspiele. Wir sprachen mit ihr über ihre Aufgaben und das Festival. 

Dock 11: Liebe Ilka, danke für deine Zeit, unsere Fragen zu beantworten! Du bist als freiberufliche Kommunikationsdesignerin seit ein paar Jahren bei den Musikfestspielen dabei. Wie kam es zur Zusammenarbeit und was sind deine Aufgaben?

Ilka Fugmann. Foto: Wini Sulzbach.

Ilka: Die Musikfestspiele kamen 2019 aufgrund einer Empfehlung auf mich zu mit dem Wunsch nach einem zeitgemäßen, flexiblen Corporate Design. Es galt, den traditionell hohen Qualitätsstandard des Festivals mit der offenen, experimentierfreudigen Ausrichtung zu verbinden und dafür ein langlebiges Gestaltungskonzept zu entwickeln. Seitdem gestalte ich Programmhefte, Leporello, Plakate, Postkarten, Banner, Anzeigen, Vorlagen für Social Media und Webseite – alles, was für die jeweilige Festivalausgabe der Musikfestspiele Saar benötigt wird. Es ist ein inspirierendes Arbeiten, da alle mit voller Begeisterung für die Sache dabei und offen für Impulse sind. Wichtig für das beständige Gelingen sind der direkte Austausch und die kurzen Wege.

Da wir alle in einem Boot sitzen – egal ob Theater, Musik oder Kunst –  ist es sinnvoll, dass wir uns vernetzen und austauschen.

Dock 11: Wie relevant sind für dich, aber auch andere saarländische Kreativschaffende, solche Groß-Events im Saarland wie die Musikfestspiele Saar? 

Ilka: Große Veranstaltungen wie die Musikfestspiele Saar sind ein Aushängeschild für die saarländische Kulturbranche, deren überregionale Präsenz für alle Kreativen sehr wichtig ist, da im Saarland Vieles im „Kleinen“ bleibt. Je sichtbarer und vielfältiger die Branche ist, desto bessere Bedingungen können für Kreativschaffende entstehen, was unbedingt Not tut. Da wir alle in einem Boot sitzen – egal ob Theater, Musik oder Kunst –  ist es sinnvoll, dass wir uns vernetzen und austauschen, zusammenarbeiten und voneinander lernen. Die Überschaubarkeit der Szene kann dafür von Vorteil sein.

Dock 11: Wie spiegelt sich der Festivalfokus der Musikfestspiele Saar in deinen Designs im Laufe der Zeit? 

Das klare Design der Musikfestspiele sorgt für Wiedererkennung und Konstanz.

Ilka: Das Festlegen eines Titelmotivs steht zu Beginn der gestalterischen Arbeit jeder Festivalausgabe. Es steht in Verbindung zum thematischen Fokus – wie letztes Jahr ein Bild von Gerhard Richter zu »Okzident/Orient«. Die Suche nach einem geeigneten Motiv erfolgt in enger und kreativer Zusammenarbeit, bei der die Beteiligten offen für unterschiedliche Ursprünge und Kontexte sind. Von Auftragsfotografie bis Malerei kann alles dabei sein – es muss abstrakt sein und sich auf unterschiedlichste Formate anpassen lassen. Für die aktuelle Ausgabe mit dem Motto »Esprit Paris« wählten wir ein Bild des saarländischen Malers Volkmar Gross, das den französischen Flair und die Musik visuell miteinander verbindet. Das klare Design der Musikfestspiele sorgt für Wiedererkennung und Konstanz, wohingegen die Flexibilität von Motiv und Farbgebung verschiedene Atmosphären kreieren, wie sie auch bei den Konzerten und Orten jedes Jahr spürbar werden. Die Festivalausgabe während der Corona-Pandemie war besonders, da sie nicht vor Ort stattfinden konnte. Mit einer Online-Konzertreihe haben die Musikfestspiele reagiert, wozu ich kleine Animationen als Intros gestaltet habe. 

Dock 11: Lieber Bernhard Leonardy, liebe Ilka, vielen Dank für eure spannenden wie interessanten Einblicke! Wir wünschen euch für das diesjährige Event viel Erfolg und dass uns die Musikfestspiele noch lange erhalten bleiben!

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