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Best Practice

»Für mich war das Schreiben einfach da«

Wir sprachen mit dem saarländischen Schriftsteller Bernd Nixdorf, der gemeinsam mit Gisela Hinsberger das diesjährige Ludwig Harig Stipendium des Ministeriums für Bildung und Kultur des Saarlandes erhielt, über seine Werke, die saarländische Literaturlandschaft und warum seriös zu sein schrecklich wäre. 

»Für mich war das Schreiben  einfach da«

Mit dem Ludwig Harig Stipendium unterstützt das Saarland seit 2018 vielversprechende Nachwuchsautor:innen, die sich ganz im Sinne Ludwig Harigs in einer literarisch starken Art und Weise mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen und sprachlich wie stilistisch mit ihren Entwürfen überzeugen können, so Kulturministerin Christine Streichert-Clivot.

Dock 11: Lieber Bernd, danke, dass du dir Zeit nimmst für unsere Fragen. Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Stipendium! Wie fühlt es sich für dich an, wenn es heißt, im Sinne von Ludwig Harig zu schreiben? Wie stehst du selbst zu seinem Werk?

Bernd: Ganz grob und schnell gesagt, empfinde ich es als eine Auszeichnung, die eigene Arbeit im Sinne eines, wenn auch manchmal belächelten und etwas unterschätzten, wichtigen und sprachmächtigen Autors gewürdigt zu sehen. Ich selbst bin nicht unbedingt ein großer Fan seiner Literatur, sehe aber vor allem in der Erzähltechnik, im Collagenhaften und in der Übernahme des Großen ins Kleine einen nachvollziehbaren Zusammenhang. 

Dock 11: Das Stipendium ermöglicht es dir, an deinem Literaturprojekt »Hoppers letztes Idyll« weiterzuarbeiten. Kannst du unseren Leser:innen kurz erzählen, worauf die sich dabei freuen dürfen?

Bernd: Es handelt sich dabei um eine Fortführung meines 2018 erschienenen Fragment-Romans »Eine intime Vertraute«, in dem übrigens bereits der Titel  »Hoppers letztes Idyll« erwähnt wird – spöttisch, als etwas unrealistisch Erhofftes. Hopper, der Name allein ist schon, ebenso wie der Begriff »Idyll«, mehrdeutig, ist ein Kunstfälscher, der im Roman unter zwei weiteren Namen in Erscheinung tritt. Das spiegelt auch drei unterschiedliche Bewusstseins- bzw. Wahrnehmungsebenen wider. Es handelt sich aber nicht um einen »Fälscherroman« oder gar Thriller, sondern um das Leben in einer (selbst-)konstruierten Welt, und dem, was bleibt, wenn dieses Konstruiertsein der eigenen Realität einmal erkannt wird und das Konstrukt in sich zusammenfällt. Sprachlich und stilistisch wird das unter anderem durch eine assoziative und fragmentarische Erzählweise erreicht, durch Perspektiv- und Zeitenwechsel einerseits ebensowie durch Darstellung und Beschreibung historisch weit auseinanderliegender fiktiver und tatsächlicher Begebenheiten und Personen am selben Ort zur selben Zeit andererseits. Es geht immer darum, wie man die eigene Gegenwart angesichts der eigenen Vergangenheit konstruiert und wie man sie ertragen kann. Alles was war, trägt der Mensch vor sich her und sein jeweiliges Jetzt und Hier ist die Summe aus all dem, was man in seinem bisherigen Leben erfahren hat – egal, ob real oder fiktiv, ob echte oder falsche Erinnerungen. Die Zukunft ist nur eine Hypothese. Inwieweit die Leser:innen sich darüber allerdings auch noch nach der Lektüre freuen werden, kann ich nicht sagen.

Ich glaube nicht, dass es »den« Sinn des Lebens gibt

Dock 11: Die Jury schrieb in ihrer Begründung unter anderem: »Nixdorf entwickelt mit ‘Hoppers letztes Idyll’ ein vielversprechendes Konzept auch zum gesellschaftlichen Diskurs über den individuellen Sinn des Lebens«. Worin siehst du den Sinn des Lebens?

Bernd: Die Formulierung der Frage weist schon auf den wesentlichen Unterschied der Betrachtungweise hin – »der individuelle Sinn« vs. »der Sinn« des Lebens. Ich glaube nicht, dass es »den« Sinn des Lebens gibt. Den versuchen allenfalls Religionen, Ideologien und Marketingabteilungen uns vorzugaukeln. Einen Sinn für das je eigene Leben kann man nur für sich selbst suchen und im optimalen Fall sogar finden. Und dieser Sinn kann sich ändern. Das hängt auch ab von den Konstrukten, in denen man sich befindet und die man vielleicht nach und nach als solche entlarvt. Wobei das natürlich gar nicht sein muss. Letztlich will man doch nur mit sich selbst identisch sein. Darum gibt es auch drei Hoppers.

Dock 11: »Schriftsteller werden, das geschieht von allein, das nimmt man sich nicht vor«, sagt Autor Martin Brinkmann. Warum schreibst du, wie bist du zum Schreiben gekommen?

Bernd: Kann sein, kann nicht sein. Ich kenne auch Leute, die es sich einfach vorgenommen haben und produktiv und erfolgreich sind. Für mich zumindest war das Schreiben eigentlich schon recht früh einfach da, allerdings ohne Ziel und Zweck. Schreiben passierte immer sporadisch und erst nachdem ich sehr viele Jahre gar nicht geschrieben habe und irgendwann quasi geplatzt bin, kann ich sagen, dass das für mich momentan meinen individuellen Lebenssinn ausmacht, auch wenn sich das nicht in einem Riesenoutput niederschlägt. Das kann sich aber wieder ändern. Wer weiß?

»Seriös« zu sein, das wäre schrecklich

Dock 11: Du bist bekannt geworden mit deinen Krimi-Parodien in Buch- und damals innovativem Internet-Format. Wann und wie vollzog sich dein Wandel hin zum »seriösen« (Zitat ‚Literaturland Saar‚) Roman?   

Bernd: Das war damals tatsächlich innovativ und, wenn man so will, das Einzige, was ich bisher überregional veröffentlicht habe. Allerdings: »Seriös« zu sein, das wäre schrecklich, das war und ist nicht der Plan.
Natürlich war es ein ziemlicher Sprung von »Salli Palli« zu »Eine intime Vertraute«, und meine größte Befürchtung war, damit nicht ernst genommen zu werden. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich finde auch, dass sich die beiden auf gewissen Ebenen gar nicht so unähnlich sind. Auch in »Salli Palli« geht es viel um Identität und Täuschung. Und »Eine intime Vertraute« ist auch kein humorloses, bierernstes Werk. Für mich ist es sehr wichtig, eine ausgewogene Mischung zu erreichen, da auch, ganz platt gesagt, das Leben nur bei einer (selbst-)ironischen Betrachtungsweise zu ertragen ist.
Ein direktes »Wann« gab es genau genommen nicht. Ich habe mich ja auch nie auf irgendetwas festgelegt. Es hat sich gezeigt, dass meine »ernsteren« Texte in sich einen inneren Zusammenhang entwickelt haben. Zu einem gewissen Zeitpunkt habe ich erkannt, das viele Texte, die ich unter vollkommen unterschiedlichen Voraussetzungen und im Laufe mehrerer Jahre verfasst hatte, einen inneren roten Faden haben und einfach zusammenpassen. Überlegungen setzten ein, die am Ende auch zu dem oben etwas ausführlicher beschriebenen theoretischen Fundament geführt haben.

Dock 11: Ein Buch zu schreiben, liegt voll im Trend.»Wie schreibe ich ein Buch«-Kurse schießen wie Pilze aus dem Boden. Wie schwer ist es eigentlich, vom Schreiben leben zu können? 

Bernd: Keine Ahnung. Ich kanns nicht und werde es wohl auch nie können. Allerdings schreibe ich auch nicht in einem Segment, das für die massenhafte Produktion von Bestsellern besonders berüchtigt ist. Das ist vielleicht einer der Unterschiede zwischen »Schriftsteller werden passiert einem einfach« und »man nimmt es sich vor«. Aber auch Bestseller-Autoren, zumindest wenn man auf den deutschsprachigen Markt beschränkt bleiben muss, können außer Wenigen wahrscheinlich nicht unbedingt gut vom Schreiben leben. Es kommt auch sicher darauf an, was man schreibt bzw. für welches Medium. Es müssen ja nicht unbedingt Bücher bzw. Romane sein. Hörspiele, Drehbücher, vor allem letztere, sind vielleicht lukrativer. Vor allem Drehbücher. Nehme ich an.

Im Rest der Republik wird das literarische Saarland so gut wie nicht wahrgenommen

Dock 11: Du warst auch schon im Vorstand des Landesverbandes Saar der deutschen Schriftsteller:innen tätig. Wie würdest du die aktuelle saarländische Literaturlandschaft charakterisieren, wie geht es dem Literaturland Saar?

Bernd: Soweit ich das überblicke, ist das Saarland gar nicht schlecht aufgestellt im Hinblick auf kreative und produktive Literatur, die einen Vergleich zum Jenseits der Landesgrenzen nicht unbedingt zu scheuen braucht. Ein großes, wenn auch nicht das einzige Problem ist mal wieder, wie so oft, der Rest der Republik. Dort wird nämlich auch das literarische Saarland so gut wie nicht wahrgenommen. Es scheint so zu sein, dass »Geschrieben im Saarland« eher einem Warnhinweis gleichkommt. Aber auch die Verlagslandschaft im Land ist nicht gerade üppig, und dort verlässt man sich, aus wirtschaftlich nachvollziehbaren Gründen, oft auf das Saarland selbst als Absatzmarkt, mit dem entsprechenden Angebot – oder man publiziert Hoch- und Höchstliteratur, mit der man sich in erster Linie selbst bewundert und die möglichst nicht verkauft werden soll. Nicht zuletzt gefällt man sich hie und da auch in der  narzisstischen Pose der verkannten Avantgarde und der eine oder andere Club oder Verein ist und bleibt sich selbst der liebste, man bleibt lieber unter sich und findet sich gegenseitig toll. Da wäre Erfolg, ganz zu schweigen von kommerziellem, ein großer Makel.

Dock 11: Vielen Dank für Deine Zeit und viel Erfolg für dein Literaturprojekt »Hoppers letztes Idyll«! 

Weitere Informationen rund um die Kultur- und Kreativwirtschaft findet ihr in unserem Magazin.