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Best Practice

»Ich mag die freie Art des Arbeitens«

Paulina Straß studierte an der htw saar Architektur und ist eine der wenigen weiblichen Jung-Architektinnen im Saarland, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben. Wir sprachen mit ihr unter anderem über die Herausforderungen der Energiewende und des Klimawandels für das Bauen, aber auch über die Vereinbarkeit von Solo-Selbstständigkeit und Familienplanung.

»Ich mag die freie Art des Arbeitens«

Dock 11: Hallo Paulina! Schön, dass du Zeit für unsere Fragen finden konntest! Erzähl unseren Leser:innen doch erst einmal, welche Leistungen du im Bereich Architektur anbietest.

Paulina: Architektur könnte man als Zusammenspiel verschiedenster Gewerke bezeichnen. So ist es auch mit den Leistungen oder Aufgabenfelder, die ich anbiete. Sie sind individuell auf die Belange meiner Kund:innen angepasst. Manchmal sind es nur beratende Tätigkeiten wie zum Beispiel bei einem Um- oder Anbau-Projekt und manchmal eine komplette Neugestaltung eines Wohnhauses. Zum Teil kommen auch Firmen wie Malerbetriebe oder Zimmerei und Abbundfirmen auf mich zu und fragen nach Visualisierungen für Fassadengestaltung, Carports oder modulare Räume, um deren Kund:innen ein besseres Gefühl und Vorstellung für ihr Vorhaben geben zu können.

Ich mag die freie Art des Arbeitens, meine Zeit frei einzuteilen und vor allem meine eigene Chefin zu sein.

Dock 11: Die Rahmenbedingungen für Bauinvestitionen haben sich seit Corona massiv verschlechtert: explodierende Baustoffkosten, steigende Bauzinsen. Warum und wann kam trotzdem der Entschluss, dich als Architektin selbstständig zu machen?

Quelle: Paulin Straß

Paulina: Der Entschluss mich selbstständig zu machen kam schon recht früh im Studium. Ich mag die freie Art des Arbeitens, meine Zeit frei einzuteilen und vor allem meine eigene Chefin zu sein. Trotz des Einbruchs der Baubranche durch Corona und den Ukraine-Krieg ist Geld weiterhin im Umlauf und die Menschen investieren in ihr Privateigentum. So haben Umbaumaßnahmen im Bestand wieder deutlich zugenommen, hingegen zeigt sich im Neubausektor ein deutlicher Rückgang auch weil es keine Förderungen im Moment gibt. Diesen Trend, weg vom Neubau auf der grünen Wiese kann ich nur unterstützen. Sollten wir doch eher über die Nachverdichtung in Form von Lückenschließung oder Anbauten aus ressourcenschonenden Materialien wie Holz oder Naturbims nachdenken, bevor das nächste Neubaugebiet eröffnet wird. Ein weiterer Aspekt ist der Klimawandel, der diesen Trend zum Erhalt des Bestandes verstärkt.

Dock 11: Der Trend geht also weiter zum Bauen im Bestand, Wert erhaltende oder Wert steigernde Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Welche Möglichkeiten siehst du hierbei sowohl für die Kreativität der Architekt:innen als auch für preiswertes wie nachhaltiges Bauen im Saarland?

Paulina: Mein persönlicher Fokus beim Planen und Bauen liegt auf dem ländlichen Raum, in dem ich gerne arbeite und auch selbst sehr gerne lebe. Wir haben hier auf dem Land viele gut erhaltene und gepflegte Bestandshäuser, die in den nächsten Jahren leer stehen werden. Die Herausforderung wird es sein, die Häuser für die nächsten Nutzungseinheiten flexibel umzubauen. Hier ist die Kreativität gefragt. Das Haus sollte nicht nur ästhetisch und architektonisch weiterentwickelt werden, sondern auch einen flexiblen Anspruch im Kern haben und sich an die ständig verändernden Lebensumstände anpassen können.

Mein persönlicher Fokus beim Planen und Bauen liegt auf dem ländlichen Raum.


Unterschiedliche Nutzungen erfordern unterschiedliche und individuelle Grundrisse. Zum Beispiel ist der Raumbedarf für ein junges Paar deutlich geringer als für eine 4- oder 5-köpfige Familie. Manchmal lässt der Grundriss es sogar zu, eine zusätzliche Mietwohnung zu integrieren, was wiederum gut für die Refinanzierung ist. Preiswert ist das Bauen schon lange nicht mehr.
Lasst mich euch dazu ein Beispiel aufzeigen: Um hier und da Geld einsparen zu können, wäre eine Möglichkeit, Eigenleistung in das Bauvorhaben miteinzuplanen. Selbst die Schaufel in die Hand zu nehmen, zu schrauben und zu hämmern, reduziert die zu finanzierende Summe deutlich auf dem Papier, auch wenn es die Bauherr:innen ihre Arbeitskraft kostet. Es liegt doch in der Natur des Menschen, Dinge zu erschaffen. So will ich all denen, die bauen wollen, sagen: „Vertraut auf euch und habt Mut, jede Anstrengung wird sich absolut auszahlen.“ Das eigene fertige Objekt hinterher zu bestaunen und wertzuschätzen ist einfach das Größte.

Dock 11: Le Corbusier prägte den Satz „Das Haus ist eine Maschine zum Wohnen”. Gewinnt das Zitat angesichts der rasant zunehmenden Technisierung der Hausgestaltung wieder an Aktualität?

Fotos: Paulina Straß

Paulina: Die Technisierung aus den Zeiten von Le Corbusier kann man nicht mit dem vergleichen, was heute hinter dem Begriff steckt. Die großen Wohnkomplexe, die er entwarf wie zum Beispiel die Unité d´Habitation, die wie Maschinen fungierten, bei der jeder Gebäudeteil seine Funktion hatte, eben wie jedes Maschinenteilchen seine Aufgabe erfüllt. Man könnte annehmen, dass er deshalb so viele Funktionen und Nutzungen wie möglich in den riesigen Komplexen unterbringen wollte. So ließ sich dort nicht nur gut leben, sondern auch arbeiten, einkaufen und seine Freizeit konnte man im Schwimmbad auf dem Dach ganz gut verbringen. Eine kleine eigene Stadt, die man nicht verlassen musste, wenn man nicht wollte.
Im Hinblick auf die zunehmende Technisierung bin ich immer noch zwiegespalten, ob es wirklich ein Fortschritt ist. Beim Bau unseres Eigenheims entschieden wir uns bewusst gegen Smart Home Systeme. Ich möchte gerne selbst entscheiden, wann ich das Licht ein- und ausschalte oder wann die Rollläden herunterfahren und brauche dafür keine zusätzliche Technik, Apps und Meter lange Kabelkanäle.

Dock 11: Du bist frisch gebackene Mutter und soloselbstständig in der Architekturbranche. Wie bereitest du dich auf die kommenden Herausforderungen vor? Und hast du das Gefühl, dabei von der Politik, die ja ausdrücklich Unternehmensgründungen wünscht, gut unterstützt zu werden?

Paulina: Dabei lautet meine Devise: einfach anfangen, die Behörden abklappern und aktiv um Hilfe fragen, sei es Elterngeld, Elternzeit, Versicherungen, Banken. Ich habe laufende Kosten, die bezahlt werden wollen, aber zusammen mit meinem Partner, der im elterlichen Zimmermannsbetrieb arbeitet, sollte die Zeit bis ich wieder arbeiten kann, ganz gut zu überbrücken sein. Wir teilen uns die Elternzeit auf, sodass wir beide für unser Kind da sein können aber auch unseren Jobs nachgehen können. Es erfordert Kompromisse, aber für uns ist es die beste Art, gleichberechtigt in das Familienleben einzusteigen und die Karriere nicht aus den Augen zu verlieren. Wobei der Fokus ganz klar auf unserer kleinen Familie liegt, zu der übrigens noch zwei Hunde gehören.
Gefühlt unterstützt die „Politik“ Selbstständige weniger als Angestellte, auch da ist man auf sich selbst gestellt – selbst und ständig.

Dock 11: Was war bisher dein spannendstes Projekt und welches Traumprojekt würdest du gerne einmal realisieren?

Paulina: Jedes Projekt hat seine Reize und interessante Seiten, sicherlich sind Umbauten herausfordernder als mancher Neubau. Ich denke da konkret an eine alte Gaststätte, die wir derzeit als Tagespflege mit Seniorenwohnungen umbauen, die zuvor sogar noch ein Kino und Kegelbahnen beinhaltete. Es ist schön zu sehen, wie aus einem Raum, wo Feste gefeiert wurden und sich die Leute trafen, wieder eine neue Nutzung entsteht bei dem viele sich noch an den alten Zustand erinnern können. Ein absoluter Gewinn für den Ort, denn so können die Räumlichkeiten der Tagespflege auch weiterhin temporär für andere Festivitäten mitgenutzt werden. Win-Win für das alte Gebäude, den Ort und die Bevölkerung.

Für die Zukunft wünsche ich mir, mit innovativen Kombinationen neue Bauweisen auszuprobieren und mit dem unkonventionellen Einsatz von Baustoffen zu experimentieren.

Ein Traumprojekt habe ich mir schon mit unserem eigenen Hausbau ermöglicht, bei dem ich tatsächlich am meisten gelernt hab. Von dem Entwurf über die Genehmigungsplanung bis hin zur eigenen, handwerklichen Umsetzung. Wir haben uns für eine Kombination aus Mauerwerk und Holzbau entschieden. Diese zwei natürlichen Baustoffe zu verbinden ist nicht die übliche Bauweise, aber es hat wahnsinnig Spaß gemacht, alles bis ins Detail auszuarbeiten. Für die Zukunft wünsche ich mir, mit innovativen Kombinationen neue Bauweisen auszuprobieren und mit dem unkonventionellen Einsatz von Baustoffen zu experimentieren.

Dock 11: Liebe Paulina, danke für deine Zeit! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg als Architektin und alles Gute für dich und dein Baby!

Paulina: Ich danke euch für die Möglichkeit hier als junge selbstständige Architektin sprechen zu dürfen und hab mich über das Interview sehr gefreut!

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