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Interview »Die Kundin«

Interview »Die Kundin«

Dock 11: Hallo Camilo, schön, dass du dir Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Deine Masterarbeit im Studiengang »Media Art & Design« an der HBKsaar, ein Dokumentarfilm über die Frauenrechtlerin Marlies Krämer, läuft gerade auf dem Münchner DOK.fest in der Kategorie »student award«. Wie hast du es mit deinem Film denn dorthin geschafft?

Camilo: Vielen Dank an euch für die Einladung und ja, ich freue mich riesig über die Teilnahme meines Films am Münchner Festival. Rückblickend könnte man beinahe von Glück sprechen, dass der Film hier im Saarland zunächst abgelehnt wurde. Hätte der Film bereits im Saarland seine Weltpremiere gehabt, wäre er für München womöglich weniger interessant gewesen. Damit  ist »Die Kundin« jetzt der erste von den Saarland Medien und der HBKsaar geförderte Dokumentarfilm, der am DOK.fest München teilnimmt. Das ist für mich eine große Ehre und auch Erleichterung, denn zwischenzeitlich fing ich doch etwas an, zu zweifeln. Jetzt hab ich gelernt, dass man ruhig bleiben muss und eben häufig erst auf Umwegen sein Ziel erreicht.

Dock 11: Du bist ursprünglich studierter Kulturwissenschaftler. Was hat dich dazu bewogen, dich dem Film zuzuwenden und einen Master in »Media Art & Design« an der HBKsaar zu machen?

Die Kamera hat mich in all den Jahren begleitet

Camilo: Ich habe meinen Bachelor an der UdS (Universität des Saarlandes, Anm.) gemacht und mich dort besonders für die Fächer Anthropologie, Nachhaltigkeit und Politik interessiert. Davor war ich schon in Kolumbien als Aktivist politisch engagiert. Die Kamera hat mich in all den Jahren begleitet und kam in den verschiedensten Projekten zum Einsatz, sowohl an der Uni als auch privat. Vor ca. 10 Jahren habe ich dann mit anderen Kolumbianer:innen ein Videokollektiv namens Mochila Productions gegründet, das war der nächste entscheidende Schritt!

Dock 11: Wie hast du dein Filmprojekt finanziert? Gab es Fördergelder und wenn ja, welche?

Camilo: Ich habe das große Glück gehabt, von den Saarland Medien mit 12.000 € gefördert zu werden. Obwohl dieser Dokumentarfilm meine Masterarbeit ist, hatte ich schon vorher geplant, den Film in die Kinos zu bringen. Das heißt die Musik, die Grafik, die Animation und vieles mehr wurde von Künstler:innen extra für den Film gestaltet. Außerdem fanden die Dreharbeiten nicht nur im Saarland statt, sondern auch in vielen anderen deutschen Städten, wie Berlin, Bremen, Leipzig, Mainz, usw. Dementsprechend war das Projekt insgesamt recht teuer, aber es hat sich gelohnt. 

Dock 11: Wie dreht man eigentlich einen Film in Zeiten einer Pandemie? Welche Hindernisse gab es für dich und dein Team, aber auch welchen Support und was haben du und dein Team aus diesen Erfahrungen gelernt?

Camilo: Ich kann mich sehr gut an die Fahrt nach Leipzig erinnern. Wir haben im Radio die Nachricht gehört, dass die Leipziger Buchmesse wegen einer Pandemie abgesagt wurde. Glücklicherweise konnten wir aber den Großteil der Dreharbeiten vor dem ersten Lockdown abschließen. Mein Film gibt noch die ersten Folgen der Pandemie wieder, wie zum Beispiel die ersten »Faustbegrüßungen« zeigen. 

Dock 11: Wie schätzt du das Saarland als einen Standort für Filmschaffende ein und welche Rolle spielt dabei die HBKsaar? 

Großer Pool an Expertise und verschiedenste Disziplinen

Camilo: An der HBKsaar gibt es einen großen Pool an Expertise und verschiedenste Disziplinen, die ich für meinen Film nutzen konnte. Angefangen beim Equipment, den Maschinen bis hin zu der Beratung durch alle Professor:innen: Film, Marketing, Public Art, Design Theorie, Typografie und vieles mehr. Ich habe für eine Kunstaktion sogar mit Hilfe des Produktionszentrums der HBKsaar Straßenschilder produziert, um den Platz vor der Sparkasse Saarbrücken umzubenennen. All das nutzen zu können, war eine tolle Erfahrung!
Dass »Die Kundin« nun in München und nicht in Saarbrücken zur Premiere kommt und dort für den »student award« nominiert wurde, weist daraufhin, dass es mir hier vor Ort schwer gefallen ist, den Film und das Thema anzubringen. Vielleicht sind die Geschmäcker auch einfach verschieden? Allgemein wünsche ich mir, dass das Saarland sich noch stärker für die eigene Szene und die eigenen Filme einsetzt, auch von Student:innen, und diese fördert, so wie das in meinem Fall immerhin geklappt hatte. 

Dock 11: Wie bist du eigentlich auf das Thema deines Films gestoßen? Gibt es da auch einen persönlichen Bezug?

Camilo: Ich habe Marlies kennengelernt, als sie Bushido bei Maischberger an den Haaren gezogen hat, weil der meinte, dass jemand der sich für Gendergerechtigkeit einsetzt, wohl furchtbar langweilen müsse. Damals war mir nicht komplett bewusst, wie viele Privilegien ich als Mann in Deutschland habe. Ich dachte wir wären hier schon weiter als in Lateinamerika, aber ich muss immer noch den Kopf schütteln, denn auch wir sind noch weit vom Ziel entfernt.

Dock 11: Was macht für dich deine Protagonistin Marlies Krämer so herausragend und was können wir alle von ihrem Engagement lernen? Woher nimmt sie die Kraft, so viele Jahrzehnte für ihre Sache zu kämpfen?

Immer wenn ich denke, dass ich etwas nicht schaffe, muss ich an Marlies denken.

Camilo: Das ist eine gute Frage. Immer wenn ich denke, dass ich etwas nicht schaffe oder mal wieder zu viel nachdenke, muss ich an Marlies denken. Sie wird nie müde und egal was passiert oder was andere denken, bleibt sie gut gelaunt dran, und das immer mit Respekt für ihre Umwelt. Das ist für mich ein Vorbild, obwohl ich mich selbst bereits für recht optimistisch und proaktiv halte.
Wenn man sich den Film anschaut, kann man verstehen, was sie erleben musste und woher sie die Kraft nimmt. Das wollte ich porträtieren, sie zeigen wie sie ist und wie wir sie bisher noch nicht (genügend) kannten.

Dock 11: Die Genderdebatte ist aktueller denn je. Welchen Beitrag kann dein Film dazu leisten?

Camilo: Der Film will die Menschen nicht dazu zwingen zu Gendern, aber zum Denken anregen. Bei der Recherche habe ich bemerkt, wie viele Hasskommentare im Internet gegenüber Marlies existieren. Beleidigen, bedrohen und beschimpfen sind keine Art zu diskutieren, da ist kein Meinungsaustausch möglich. Man muss die Hintergründe kennenlernen, die Beweggründe derer, die sich ausgeschlossen fühlen, bevor man zu einem Urteil kommt. Die Geschichte von Marlies Krämer trägt dazu bei zu verstehen, wie selbstverständlich es sein sollte, der Frau ebenso viel Platz einzuräumen wie dem Mann, ob im Beruf, Alltagsleben oder unserer Sprache.
Nach dem Film habe ich mich persönlich dazu entschieden zu Gendern. Mir macht es Spaß, wenn andere Männer sich nicht unmittelbar angesprochen fühlen, wenn man zum Beispiel über Künstlerinnen redet. 

Dock 11: Lieber Camilo, vielen Dank für das Gespräch! Wir wünschen dir und deinem Team viel Erfolg in München!

Gewinnspiel zum Film

Der Film »Die Kundin« ist noch bis zum 23. Mai 2021 im Stream des DOK.fest München zu sehen. Wir verschenken drei Streaming-Freikarten für »Die Kundin« an die ersten drei Teilnehmer:innen, die uns an hallo@dock11.saarland schreiben.

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