Demohauptstadt Saarbrücken
Revision 19 – Kaum jemand in Saarbrücken kennt diese Veranstaltung. Dabei ist das die weltgrößte Demo-Party, die vom 19. bis zum 22. April im E Werk Saarbrücken stattfindet. Besucher aus mehr als 30 Ländern werden erwartet. Seit 2011 organisiert der Verein Tastatur und Maus e. V. jedes Jahr an Ostern das Event der Demoszene. Im Saarland weitgehend unbekannt, treffen sich hier erfahrene Programmierer, digital artists und Szeneinsider und messen sich in Competitions mit der weltweiten Programmierer-Elite.
Demoszene – Was ist das?
Mitte der 80er Jahre wurden auf den gängigen Computerplattformen wie dem Commodore 64 erste Games veröffentlicht. Mit den Spielen kamen auch die ersten Formen digitalen Kopierschutzes an den Start. Und, wie das nun einmal so ist, auch die ersten Versuche, diesen zu umgehen. Damit jeder wusste, wer ein Spiel zuerst gecrackt hatte, schalteten die Raubkopierer kurze Intros vor die Spiele. Der ursprüngliche Zweck dieser Intros beziehungsweise Demos ist so etwas wie ein digitales Graffiti, eine persönliche Spur im digitalen Güterverkehr. Eine Form des Selbstausdrucks und ästhetischer Praxis, das sich in der Crackerszene etablierte. Aus diesem Kräftemessen früher Programmierfähigkeiten entstand eine kleine, aber verschworene Community: die Demoszene. Im Lauf der Jahre emanzipierte sie sich vom illegalen Knacken von Spielen und heute steht sie ausschließlich für die Kunst der Programmierung dieser Demos.
Auf Szeneparties kommen die Gruppen zusammen, um ihre Werke vor der versammelten Community zu präsentieren. Man trifft sich, feiert und wählt die besten Arbeiten. In verschiedenen Disziplinen beweisen die Teilnehmer ihre Fähigkeiten: Systemabhängig werden beispielsweise die besten 64k-, 8k- und 4k Intros ausgezeichnet. Neue Techniken werden ausgetauscht, Kontakte geknüpft. Oft reisen Szener über tausende von Kilometern an, den Kofferraum voller Equipment – teils Hightech, teils aus vergangenen Dekaden.
Die größte Szeneparty der Welt findet jedes Jahr in Saarbrücken statt. Diese geballte Konzentration an Knowhow macht die revision auch für zahlreiche Recruiter und Headhunter interessant, die im E WERK auf Talentejagd gehen.
Warum Ihr – egal ob um zum Netzwerken, zur Stellenjagd oder einfach nur aus persönlichem Interesse an einem super interessanten Spektakel – auf der revision aufschlagen solltet, erklärt uns Mitveranstalter Andreas Schilling im Interview.
Dock 11: Hallo Andreas! Danke, dass du dir die Zeit für ein kurzes Interview genommen hast. Wir wollen dem Netz der kreativen Köpfe im Saarland ein Event vorstellen, das die meisten hier eher nicht auf dem Schirm haben: Die revision – die weltweit größte Veranstaltung der Demoszene. Du bist einer der drei Veranstalter der revision 2019. Wie ist denn dein persönlicher Bezug zur Demoszene?
Andreas Schilling: Na ja, ich vermute mal ganz ähnlich wie die meisten, die in der Demoszene aktiv sind. Als mein Vater damals den ersten Rechner kaufte – allerdings schon einen PC, die Homecomputerära habe ich nicht mehr so richtig erlebt – hab ich angefangen, mich fürs Programmieren zu interessieren. Primär dafür Grafiken zu programmieren. Früher war es dann relativ schwierig, nicht mit der Demoszene in Kontakt zu kommen, weil man sobald man anfing Anleitungen für verschiedene Grafikeffekte zu suchen, im Grunde sofort mit der Szene in Kontakt kam. Der Kontakt kam also eigentlich ausschließlich über mein Interesse am Programmieren zustande.
Man trifft alte Bekannte, die Stimmung ist locker und es darf gerne und viel gefeiert werden!
Dock 11: Deinem Hobby bist du ja bis heute treu geblieben. Mittlerweile bist du Mitveranstalter eines der größten Events der Demoszene. Was macht die revision so besonders im Vergleich zu Veranstaltungen ähnlicher Natur?
Andreas Schilling: Nach dem Themenschwerpunkt betrachtet ist die revision das größte reine Demoszene-Event weltweit! Ganz flapsig gesagt gibt es natürlich größere „Computerevents“, gerade welche, die primär gamingorientiert aufgestellt sind oder allgemein wild gemischt. Beispielsweise The Gathering in Norwegen, eine Veranstaltung, die es schon seit Jahrzehnten gibt. Allerdings ist da die Demoszene nur am Rande vertreten, es stehen eher Gaming und, ich sag mal, „Computer als Hobby“ im Fokus. Das Event, das der Revision, was Thematik und Besucherzahlen angeht, am nächsten kommt, ist wohl The Assembly in Finnland. In Skandinavien ist die Demoszene eh sehr populär, das merken wir auch jedes Jahr an den Besucherzahlen skandinavischer Teilnehmer. Außerdem ist es natürlich auch die Atmosphäre, die die revision ausmacht. Die Veranstaltung läuft vier Tage rund um die Uhr durch. Man trifft alte Bekannte, die Stimmung ist locker und es darf gerne und viel gefeiert werden!
Dock 11: Wenn die Mehrheit der Szene das Interesse an der Materie im Umgang mit der Hardware der Zeit entwickelt hat, drängt sich natürlich die Frage nach dem Nachwuchs auf? Kids, die mit Smartphones und idiotensicheren Benutzeroberflächen aufwachsen, haben sicherlich keinen so offensichtlichen Zugang zu dieser Art zu programmieren? Ist das ein Problem für die Szene?
Andreas Schilling: Oh, die Nachwuchsfrage! Ein schwieriges Thema, mit dem sich die Szene auch selbst stark befasst. Es stimmt, heute sind Smartphones, Tablets und Computer tatsächlich eher darauf ausgelegt, als reines Konsummedium genutzt zu werden. Das war früher natürlich nicht so. Wenn man sich früher einen C64 oder Amiga gekauft hat – sind wir mal ehrlich, die Geräte konnten wirklich nicht viel – war man zwangsläufig dazu verdammt, kreativ tätig zu werden. Die Dinger waren ja nicht einmal dazu in der Lage, Videos abzuspielen.
Also diese natürliche Verbindung, dieser Erstkontakt, ist natürlich nicht mehr so gegeben. Auf der anderen Seite gibt es heute Entwicklungen, die verstärkt dafür sorgen, dass die Materie für jüngere Leute wieder interessanter wird. Ad hoc Tooling und andere neue Werkzeuge, mit denen man Grafik und Musikeffekte schnell ausprobieren kann, ohne, dass man sich vorher monatelang mit der Materie auseinandersetzen muss, haben den Vorteil, dass es für viele Leute wieder etwas einfacher wird einzusteigen. Also das ganz tiefe Tal, in dem man den Eindruck hatte, es käme gar keiner mehr nach, ist definitiv durchschritten. Es ist natürlich nicht mehr so wie früher, und so wird es wahrscheinlich auch nie wieder werden, dass die Szene fast nur aus Jugendlichen besteht. Aber es gibt wieder Nachwuchs, der mal frischen Wind rein bringt.
Es gibt wieder Nachwuchs, der mal frischen Wind rein bringt.
Dock 11: Ihr arbeitet im Bereich Sponsoring mit einer Vielzahl an Playern zusammen. Welche Anforderungen stellt ihr denn an potenzielle Partner und wie wichtig ist es der Revision, independent zu bleiben?
Andreas Schilling: Wir stellen keine konkreten Anforderungen an unsere Partner. Natürlich gibt es gewisse moralische Ansprüche, was deren Tätigkeitsfeld angeht. Aber in dem Bereich, in dem wir unterwegs sind, gibt es da eigentlich wenig Konfliktpotenzial. Was wir uns wünschen, sind Partner, die Lust darauf haben, sich aktiv an der Revision zu beteiligen. Partner, für die unsere Teilnehmer und Besucher eine interessante Zielgruppe sind. Da müssen wir auch möglichen Interessenten gegenüber ehrlich sein: Wenn jemand kommt, der nicht ganz versteht, was für Leute die revision besuchen, ist das für den Partner womöglich kontraproduktiv. Wir versuchen, da auch sehr stark zu beraten, was die Promotiontätigkeit angeht. Es gibt da natürlich Dinge, die auf der Standardrecruitingmesse in der Stadthalle funktionieren, aber bei uns eben nicht. Davon mal abgesehen, sind wir aber offen. Wobei auch klar ist, dass die meisten Firmen, die auf uns zukommen, im Kreativbereich tätig sind, insbesondere im Bereich Softwareentwicklung. Auch wenn nicht jeder in der Demoszene in der Kreativwirtschaft tätig ist.
Dock 11: Wenn sich die Programmierelite in Saarbrücken trifft, zieht das sicherlich auch Headhunter und Recruiter an. Ist das ein Nebeneffekt der revision, dass Firmen und Fachkräfte in lockerem Umfeld aufeinandertreffen?
Andreas Schilling: Ja, das kann man so sagen. Die Kontaktqualität ist gemessen an der Größe der Veranstaltung sehr hoch. 1.000 Leute hört sich erst mal nicht besonders viel an. Vor allem, weil es im eigentlichen Sinne auch keinen Durchlauf gibt. Aber dafür gibt es nur sehr wenige konventionelle Präsentationsformen wie Stände, wie es sie auf den klassischen Messen gibt. Der Kontakt ist hier eher natürlich, was wesentlich produktiver ist.
Wir sagen den Firmen auch, dass sie sich gut überlegen sollen, ob ein Stand wirklich die richtige Art der Darstellung für eine solche Veranstaltung ist. Denn der Kontakt kommt in den vier – durchgehenden – Veranstaltungstagen eigentlich eher in lockeren Gesprächen zustande, teilweise auch noch morgens um fünf Uhr. Die Partner, die zur revision kommen, sollten auch tatsächlich am Programm teilnehmen. Alles andere wirkt einfach nicht authentisch und funktioniert auf der revision nicht. Das liegt einfach am Charakter der Veranstaltung. Die Leute feiern nun mal auch viel, kommen dann am nächsten Tag erst um die Mittagszeit, dann sind die Partner schon wieder weg, das funktioniert einfach nicht.
Dock 11: Andreas, vielen Dank für deine Zeit! Wir können es kaum erwarten uns an Ostern selbst ein Bild der revision zu machen. Wir sehen uns im E-Werk!
Datum: 19.4.2019 bis 22.4.2019
Ort:E Werk
Dr. Tietz Str. 14
66115 Saarbrücken