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Best Practice

»Keine heiligen Hallen«

Im Gespräch mit der Saarbrücker Galeristin Eileen Scherer

Seit knapp einem Jahr bereichert eine weitere Kunstgalerie die Innenstadt von Saarbrücken. Eileen Scherer eröffnete in der Mainzer Straße Ende 2020 ihre eigene Galerie. Wir sprachen mit ihr unter anderem über eine Eröffnung mitten im zweiten Lockdown, ihre Kundschaft und den saarländischen Kunstmarkt. 

»Keine heiligen Hallen«

Dock 11: Hallo Eileen! Schön, dass du dir Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten. Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, dich mit einer eigenen Kunstgalerie in Saarbrücken selbständig zu machen?

Eileen: Durch mein Master-Studium in Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität des Saarlandes habe ich meistens in den Semesterferien Praktika absolviert. Mir war schon damals klar, dass es mit einem geisteswissenschaftlichen Studium etwas schwieriger auf dem Arbeitsmarkt werden würde, daher wollte ich durch praktische Erfahrung im Museum (Moderne Galerie und Stadtgalerie), Galeriebereich (Galerie Besch) und Kunstversicherung (Hiscox in Köln und SchneiderGolling in Düsseldorf) Erfahrungen sammeln. Darüber hinaus habe ich aber auch im klassischen Office-Bereich, damals die HR-Abteilung von der IMC AG im Scheer Tower, Arbeitsabläufe in Unternehmen kennenlernen wollen. Alle diese Stationen haben mir sehr geholfen bei meiner Entscheidung in welche Richtung es nach dem Studium gehen soll. Das Galerie-Praktikum hat mir damals am besten gefallen: Der Gedanke, die eigene Galerie aufzuschließen und als »Kuratorin« zusammen mit den jeweiligen Künstler:innen Ausstellungskonzepte zu entwickeln und Werke auszusuchen hat mich über Jahre hinweg nicht losgelassen. Und dann natürlich auch im Dialog mit Kunstinteressierten die Werke zu verkaufen. Im Kunstgeschichte-Studium kamen damals aber betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zu kurz und auch ein Vertriebs- oder Verkaufsseminar ist sicherlich hilfreich, um Kunden von Kunstwerken begeistern zu können. Hauptberuflich bin ich daher im Personalwesen und Recruiting bei Randstad tätig, habe also täglich mit ganz unterschiedlichen Kandidaten und Unternehmen zu tun. Ich habe dann bei Randstad gefragt, ob ich in Teilzeit arbeiten kann, um weiterhin ein sicheres Einkommen zu haben und parallel den Sprung in die „Selbstständigkeit light“ zu wagen. Es ist zwar eine Doppelbelastung, häufig mit einer 50 Stunden-Woche gerade wenn neue Ausstellungen organisiert werden, aber es gibt mir die Freiheit, mir keine Gedanken zu machen wie: Hoffentlich kann ich dem Künstler/ der Künstlerin direkt nach der Ausstellung seinen/ ihren Anteil vom Verkaufserlös auszahlen oder bleibt noch genug Geld übrig für die Miete im nächsten Monat. Ohne dieses Back-Up und durch die Sicherheit beim Hauptjob könnte ich mich nicht so frei der Galerie widmen. Ich empfehle daher jedem/ jeder Neugründer:in erst einmal doppelte Arbeit zu haben und dann zu schauen wie es läuft.

Der Gedanke, die eigene Galerie aufzuschließen hat mich über Jahre hinweg nicht losgelassen.

Dock 11: Du hast quasi pünktlich zum zweiten Lockdown letzten November deine »Galerie Eileen« eröffnet. Wie fühlte sich das für dich in jenem Moment an? Wie lief der Start unter solchen Bedingungen und kamen dir in dieser Zeit auch Zweifel an deiner Entscheidung?

Eileen: Die Idee der Galeriegründung und die Genehmigung vom Arbeitgeber hatte ich Anfang 2020. Da hat Corona damals noch keine Rolle für mich gespielt. Erst im März 2020 hat uns das Thema ja erst beschäftigt. Im Mai/ Juni 2020 habe ich dann zufällig gesehen, dass das Ladenlokal in der Mainzer Straße zu vermieten war. Eigentlich wollte ich an diesem Tag Glasflaschen zum Altglascontainer bringen, hielt dann kurz inne, um einfach mal ein Foto von der Handynummer des Vermieters auf dem Zettel im Schaufenster zu machen und dann mal in Ruhe zu überlegen. Genau in diesem Moment habe ich aber nicht gesehen, dass der Vermieter mich von drinnen wohl beobachtet hatte. Mit meinen Altglas-Flaschen ging ich also hinein und sprach zwei Stunden mit ihm über meine ungefähre Vorstellung einer Kunstgalerie. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht mal den Antrag beim Gewerbeamt eingereicht. Der Vermieter fand mein Konzept toll und so hat die Galerie mich gefunden. Über die Sommermonate 2020 gingen ja dann die Corona-Zahlen zurück, also dachte ich damals »wird schon werden, zur Eröffnung ist sicherlich wieder alles gut« und habe munter mit meinem ersten Künstler Ali Anvari die erste Ausstellung für November 2020 geplant. Die Wochen vorher zeichnete sich aber ab, dass wohl alles unter eingeschränkten Bedingungen – wenn überhaupt – stattfinden konnte. Ali Anvari und ich haben dann überlegt, was wir machen und entschieden: wir ziehen es trotzdem durch – man weiß ja nicht,wie lange Corona uns noch beschäftigen wird. Und so war die Vernissage an einem ganzen Wochenende über mehrere Tage verteilt, immer nur ein paar Leute mit gebuchtem Zeitslot durften die Galerie betreten und es gab dann quasi mehrere Führungen durch die Ausstellung. Also keine klassische Vernissage wie man sie kennt, viele Leute im Privat-Gespräch mit einem Glas Cremant in der Hand, sondern jede:r Besucher:in wusste: ich habe diesen Zeitslot, um mich auf die Kunst einzulassen, Künstler und Galeristin können ganz individuell Fragen beantworten. Es war also eine eher intime, aber trotzdem sehr schöne Eröffnung der Ausstellung.

Der Vermieter fand mein Konzept toll und so hat die Galerie mich gefunden.

Dock 11: Das Saarland ist nicht gerade als Hotspot von Kunstsammler:innen bekannt. Kannst du uns etwas über deine Kund:innen erzählen? Woher kommen diese, warum kommen sie gerade in deine Galerie?

Eileen: Meine Kund:innenstruktur ist sehr heterogen. Das können Studierende sein, die gerade bei kleineren Kunstwerken mit der eigenen Sammlung starten, aber auch Privatleute oder Unternehmer:innen. Kunst in Unternehmen gewinnt ja einen immer höheren Stellenwert, Mitarbeiter:innen sollen sich in Besprechungszimmern oder anderen Räumen wohlfühlen und natürlich gilt das auch für das eigene Zuhause. Die Kundschaft kommt nicht nur aus dem Saarland, sondern ist ganz gut auf den Südwesten Deutschlands verteilt, geht auch bis Trier oder Frankfurt. Hinzu kommt dann Luxemburg z.B. auch noch. Es kommt auch immer auf die Bekanntheit des jeweiligen Künstlers/ der jeweiligen Künstlerin an, da ergibt sich dann immer ein jeweils anderer Wirkungskreis. Des Weiteren sind die verfügbaren Werke auf meiner Website www.galerie-eileen.de und auf dem Kunstportal artnet zu sehen. Dadurch bekomme ich Anfragen aus den USA, Russland, China, Großbritannien. Es ist sehr spannend!

Dock 11: Ab dem 24. September zeigst du Anna van den Hövel, zuvor gab es unter anderem einen Berliner Street Art-Künstler und iranische Teppichkunst zu sehen und zu kaufen. Nach welchen Kriterien wählst du die ausstellenden Künstler:innen aus?

Man braucht Künstler:innen mit einem Alleinstellungsmerkmal

Eileen: Zunächst einmal muss ich selbst von deren Kunst fasziniert sein. Es heißt zwar immer, ein guter Vertriebler kann ja eigentlich alles verkaufen, aber das muss bei mir gar nicht sein. Lieschen Müller malt in ihrem Dachgeschoss bestimmt eine hübsche Blumenvase, aber das »catcht« die Leute nicht. Man braucht Künstler:innen mit einem Alleinstellungsmerkmal, bei dem man direkt sieht: das ist typisch xy! Das kann ein Thema, eine einzigartige Technik, das individuelle Schaffen (sei es abstrakt oder figurativ) sein. Gute Kunst braucht auch einen Wiedererkennungswert. Die Künstler:innen, die ich vertrete, sind darüber hinaus auch schon international bekannt, hatten schon andere Ausstellungen, waren auf Kunstmessen zu sehen und sind erfahren in der Ausstellungsorganisation. Dann sollte es auch immer eine eigene Künstler:innen-Website geben, bei der diese Fakten dann auch dokumentiert sind. Denn die Kundschaft will ja schon wissen was der/ die Künstler:in bisher gemacht hat und ob es Chancen auf eine positive Preisentwicklung gibt, wenn man eine Arbeit von diesem/ dieser Künstler:in erwirbt. Ich vertrete aktuell auch zwei saarländische Künstler:innen: Dieter List war von April bis Juli 2021 in der Galerie, die Werke von Dorothee Wendel zeige ich ab Dezember 2021. Ich schließe saarländische Künstler:innen also nicht per se aus, aber die beiden haben einfach schon viele Erfahrungen gesammelt und wissen, wie das Business läuft. Die Ansprüche meiner Künstler:innen an mich und umgekehrt meine Erwartungen an eine gute Zusammenarbeit mit dem/ der Künstler:in ergeben sich dann ganz automatisch. Sicher sollte eine Galerie auch unbekanntere Künstler:innen entwickeln und fördern, da habe ich auch schon ein paar Prozesse fürs nächste Jahr am laufen. 

Eine Galerie sollte auch unbekanntere Künstler:innen entwickeln und fördern.

Dock 11: Kannst du uns etwas über deine aktuelle Ausstellung erzählen?

Eileen: Anna van den Hövel habe ich auf der Kunstmesse Art Karlsuhe 2020 kennengelernt. Wir waren uns direkt sympathisch. Damals hatte ich noch keine Galerie und sie hat mir direkt zugesichert, dass sie auf jeden Fall gerne bei mir ausstellen möchte, wenn es soweit ist. Das haben wir vor einem ihrer Werke stehend beschlossen in den Messehallen der Art Karlsruhe, einer der wichtigsten Kunstmessen. Ein sehr großes Vertrauen ihrerseits in mich und die noch gar nicht existente Galerie. Die Vernissage zu der Ausstellung »Birdview« ist am 24. September 2021 ab 18 Uhr und jede:r, der/ die getestet oder geimpft ist, darf diese besuchen. Letzte Woche war ich bei der Künstlerin in ihrem Atelier in München. Das sind ganz besondere Tage: Zusammen die Werkauswahl besprechen und das Arbeitsumfeld, den Raum der Ideen der Person zu betreten, ist etwas ganz Großartiges. Anna van den Hövel ist aufgewachsen in Menorca, der Alpenlandschaft Österreichs und München, und bei ihr entstand früh der Drang, die Welt zu erkunden und zu erleben. Auf ihren Reisen sammelte die neugierige Entdeckerin geistige Momentaufnahmen, die noch heute mit tiefen Emotionen verwurzelt sind. Ihre Eindrücke sind aber keine naturgetreuen Landschaftsmalereien. Anna van den Hövel möchte dem/ der Betrachter:in mehr mitgeben. Sie verbindet den Schaffensprozess mit ihrer eigenen individuellen Wahrnehmung der Welt. Ausdrucksstarke und unkonventionelle Techniken kommen zum Einsatz. Durch Schichtung und Vermengung kreiert sie eine Collage und kombiniert Acryl, Pigmente, Lack und Materialien wie Sand, Erde oder Mörtel, um die Bilder in ihrem Kopf Wirklichkeit werden zu lassen. Durch die Reihe »Birdview« erhalten wir einen überraschend neuen Blick auf unseren Planeten. Die Vogelperspektive lässt Motive kleiner und unbedeutender wirken. Erst die Kombination aus Farben, Formen und Materialien bietet uns einen Spielraum, um Gebäude, Objekte und Landschaften wahrzunehmen.

Anna van den Hövel und Eileen Scherer

Dock 11: Welche Rolle spielen deiner Ansicht nach die vielfältigen Social Media-Kanäle für die Kunstvermarktung insbesondere jenseits der bekannten deutschen Kunstmetropolen?

Meine Künstler:innen sind auch stark in den sozialen Medien vertreten.

Eileen: Man kommt nicht dran vorbei. Interaktion ist wichtig, um die Leute auch stets informiert zu halten. Abgesehen von der Website und dem Kunstportal Artnet gibt es auch immer Neuigkeiten über Instagram »galerieeileen« und Facebook »Galerie Eileen«. Meine Künstler:innen sind auch stark in den sozialen Medien vertreten. Aktuell habe ich mit meinem Galerieaccount vergleichsweise eher wenig Follower, aber ich finde, man sollte auch ein Business nicht über die Anzahl der Follower definieren. Kunstwerke im höheren Segment kaufen viele Menschen einfach erst dann, wenn sie diese im Original gesehen haben. Ausnahmen bestätigen die Regel, durch Fotos und Videos konnten auch schon Verkäufe erzielt werden, aber das Meiste passiert einfach vor Ort in der Galerie in Saarbrücken. Direkte Kommunikation, Face-to-Face ist einfach verbindlicher, als wenn jemand sich einfach mal über Instagram nach einem Werk erkundigt und man dann nie wieder etwas von der Person hört. Was auch okay ist, ich zwinge niemanden, Kunst zu kaufen, freue mich aber, wenn es passiert, dass es für den/ die Käufer:in eine Bereicherung in welcher Art auch immer darstellt.

Dock 11: Wie siehst du deine Zukunftsaussichten, aber auch die des Kunstmarktes generell hier in der Region? 

Eileen: Ich mache das so lange, wie es mir Spaß macht. Der Galeriebetrieb ist von Ausstellung zu Ausstellung unterschiedlich. Man organisiert ja nicht nur die Vernissage, sondern hat auch gefühlt 1000 Aufgaben zusätzlich. Solange es mir Spaß macht, mache ich das gerne. Sollte ich feststellen, dass aus dem Wollen ein Müssen wird, höre ich eben wieder auf. Mir war wichtig, diese Chance zu ergreifen. Ich will nicht irgendwann ein fortgeschrittenes Alter haben und sagen »Ach hätte ich doch damals die Galerie gegründet«. Ich habe es gemacht und lerne jeden Tag viel Neues – auch über mich selbst, denn ins Unternehmertum muss man glaube ich erst einmal reinwachsen. Mein Programm, was Ausstellungen betrifft ist bis nächstes Jahr voll verplant, dann ziehe ich Bilanz wie es weitergeht. Künstler:innenbewerbungen sind ausreichend vorhanden, also einfach mal schauen was kommt.

So klein das Saarland auch ist, genug Platz für Kunst und unterschiedliche Kunstinstitutionen und Galerien haben wir auf jeden Fall.

Insgesamt bietet unser Kunstmarkt viele Potenziale, es gibt viele interessante künstlerische Positionen und ich denke wir sollten uns untereinander einfach noch stärker vernetzen. So klein das Saarland auch ist, genug Platz für Kunst und unterschiedliche Kunstinstitutionen und Galerien haben wir auf jeden Fall. So nehme ich auch mit meiner Galerie an den Tagen der Bildenden Künste, organisiert von der Landeshauptstadt Saarbrücken am 25. und 26. September teil. Das sind zwar überwiegend offene Ateliers, die sich präsentieren, aber ich bin ja auch noch recht neu und bei mir läuft es ungezwungen ab. Es sind nicht »die heiligen Hallen von Frau Scherer« sondern einfach schlicht »Galerie Eileen«, also schaut gelegentlich mal rein was es bei mir zu entdecken gibt.

Dock 11: Vielen Dank für das interessante Gespräch mit vielen Einblicken in den hiesigen Kunstmarkt! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg!