Konzert Wirtschaft Saar – Dock 11 Lagebericht zur Branche
Die Konzert- und Festivalbranche im Saarland steckt gleich mehrfach in der Klemme: zwischen der Marktmacht globaler Player, lokaler Konkurrenz in Luxemburg und Mannheim sowie einer lückenhaften, veralteten Infrastruktur. Zurecht werden von Branchenakteur:innen nun Forderungen gestellt, darunter den Bau einer neuen Eventhalle. Unsere Recherchen zeigen jedoch: Eine Einzelmaßnahme reicht nicht aus, um die komplexen Probleme nachhaltig zu lösen.
Den vollständigen Lagebericht zum Download findest du hier, die Pressemitteilung hier.
Vor allem zwei Meldungen waren es, die in der saarländischen Veranstaltungsbranche und darüber hinaus die Alarmglocken schrillen ließen: Das Ende des Rocco del Schlacko bedeutet den Verlust eines überregional sichtbaren Musikfestivals, das bevorstehende Aus der Garage den des wichtigsten Live-Clubs der Landeshauptstadt.
Die komplexe Lage der Konzertwirtschaft im Saarland zeigt sich exemplarisch an den vielfältigen Problemen der beiden: Das Rocco del Schlacko litt als unabhängiges Festival vor allem unter der immer größer werdenden Marktmacht globaler Player wie CTS Eventim und Live Nation. Top-Acts werden so entweder unbezahlbar oder sind gar exklusiv an hauseigene Spielstätten oder nicht-unabhängige Festivals gebunden. Auch die Garage spürt die steigenden Gagen, kämpft zudem aber mit weiteren Problemen: Lärmschutzkonflikte, volatile Ticketverkäufe und allgemein sinkende Nachfrage sind nur einige davon. Die nachlassende Nachfrage betrifft auch den Diskobetrieb, der die Risiken der Konzerte so nicht länger abpuffern kann; ein Problem, mit dem sich viele Konzertclubs konfrontiert sehen.
Das allein zeigt schon, dass der Bau einer neuen 8.000er Halle allein die Probleme der saarländischen Konzertwirtschaft nicht wird lösen können; die der Open-Air-Festivals sowieso nicht. Letztere bräuchten eher verlässliche Bedingungen und öffentliche Stützung, um Risiken abzumildern und Fachkräften eine Perspektive bieten zu können.
Verständlich ist der Wunsch nach einer konkurrenzfähigen Halle aus Sicht von Veranstalter:innen allemal. Auch kulturell wie wirtschaftlich kann sie unter Umständen eine Bereicherung sein, ist das Live-Segment doch der größte Wertschöpfungstreiber der Musikwirtschaft und ein gesunder Musiktourismus stärkt solche Effekte zusätzlich.
Allerdings verstopft die Forderung danach auch bisweilen den Diskurs, gleichzeitig bleiben viele Aspekte unterkomplex oder finden gar nicht erst statt. Fest steht: Um überhaupt mit der regionalen Konkurrenz vor allem in Mannheim und Luxemburg mithalten zu können, braucht eine Strategie mit 8.000er Halle ein vielfältiges Maßnahmenpaket.
Dazu gehören unter anderem:
Eine Kapazitätsleiter
Eine belastbare Kapazitätsleiter bedeutet, innerhalb eines Standorts moderne und gut angebundene Veranstaltungsorte in mehreren Größenordnungen zur Verfügung zu haben, begonnen bei einem belastbaren 200er Club. Eine 8.000er Halle ist hier nur die Spitze des Eisbergs. Um eine große Eventhalle langfristig auslasten zu können, müssen auch Konzerte in kleineren Segmenten mit kalkulierbarem Risiko abgebildet werden können. Ohne solche Pipeline kann sich kaum eine stabile Nachfrage ins hohe Preissegment hinein stabilisieren.
Konkurrenzfähige Betriebskonditionen durch öffentliche Anerkennung
Vor allem Luxemburg punktet durch ein öffentlich gestütztes Betriebsmodell mit konkurrenzlos günstigen Konditionen. Diesen müsste man sich im Saarland zumindest annähern, um überhaupt zu einer Option im Routing von Top-Acts zu werden und um die Risiken für Veranstalter:innen im Saarland abzumildern. Das funktioniert nicht ohne eine öffentliche Hand, die den Erhalt von Pop- und Konzertkultur als Aufgabe versteht.
Stärkung von Nachwuchs und kleinem Segment
Früher gab es im Saarland eine lebendige DIY-Konzertkultur. Diese formte Routinen bei heutigen Konzertgänger:innen und brachte die Menschen hervor, die heute die saarländische Veranstaltungsbranche prägen. Die nachlassende Nachfrage, die zum Beispiel die Garage spürt, hat auch mit dem Verschwinden dieses Segments zu tun.
Professionelles, international vernetztes Booking
Luxemburg bucht seine Acts nicht über das deutsche Agentursystem, sondern direkt in den USA und im UK. Über einen vergleichbaren Marktzugang verfügt im Saarland aktuell niemand. Vertikal integrierte Player wie CTS Eventim erschweren mit Exklusivvertägen den Zugang zu Top-Acts zusätzlich.
Zielgruppengerechte Formate
Heute sind vor allem im hochpreisigen Segment immersive und besondere Formate gefragt. Zudem sinkt die Nachfrage in der jungen Generation. Auch müssten in einer neuen Halle andere Events (wie große Sportveranstaltungen) abbildbar sein.
Wichtig ist aber vor allem ein Bewusstsein darüber, dass der Bau einer neuen Eventhalle kein einmaliges Investment wäre. Vielmehr würde es sich von Seiten der Politik um ein langfristiges finanzielles Commitment handeln. In Anbetracht der sich immer weiter in Richtung Projektförderung entwickelnden Förderlandschaft wäre eine dauerhaft öffentlich (mit-)getragene Eventhalle ein Exot. Zudem ist die Musikwirtschaft nur ein Teilsegment eines Segments der Kreativwirtschaft und eines mit einem volatilen Ökosystem. Hier würde es sich also um ein außergewöhnliches Commitment handeln. Deshalb braucht es neben Infrastruktur auch koordinierte Maßnahmen zur Förderung von Nachwuchs, fairen Betriebsbedingungen und umfassender Netzwerkarbeit. Nur durch eine ganzheitliche Strategie, die diese Komponenten zusammendenkt, kann die saarländische Konzertwirtschaft nachhaltig gestärkt werden.
Dennoch gibt es auch im Saarland positive Nachrichten: Der Tourismus entwickelt sich sehr gut, entgegen den Trends im Bundesgebiet. Eine Wiederbelebung der einst vielfältigen Konzertkultur im Saarland könnte auf diesem Erfolg aufbauen und touristisch bereits starke Branchen (wie die vielfältige Gastronomie) sinnvoll flankieren.
In unserem Lagebericht gehen wir den hier skizzierten Punkten ausführlich nach. Wir freuen uns über jedes Feedback und stehen für weitere Nachfragen unter hallo@dock11.saarland jederzeit zur Verfügung.
Weitere News rund um die Kultur- und Kreativwirtschaft findet ihr in unserem Magazin.