»Kultur macht stark«– #2: Andrea Rauscher über ihre Arbeit als Honorarkraft
Das Bundesprogramm »Kultur macht stark« unterstützt kulturelle Bildungsprojekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche – mit interessanten und fair honorierten Möglichkeiten für Kreativschaffende. In zwei Interviews sprachen wir mit Manuel Sattler von der Servicestelle Saar und der Honorarkraft Andrea Rauscher über das Programm und seine Potenziale für Kreativschaffende. In Teil zwei: Andrea Rauscher.

Foto: Michael Riedl
Das Programm »Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fördert seit 2013 kulturelle Bildungsprojekte für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Für Kreativschaffende als ein Teil der lokalen Bündnisse für Bildung ergeben sich daraus attraktive Chancen, sich mit ihrem Know-how in lokale Projekte einzubringen: Sie können in vielfältigen Projekten wie Tanz, Musik, Theater oder digitalen Medien aktiv mitwirken und werden dafür angemessen und fair vergütet. Die Mitarbeit bietet Raum für fachliche Weiterentwicklung, neue Erfahrungen und Vernetzung. Wir sprachen im zweiten Teil mit der Modedesignerin Andrea Rauscher, die als Honorarkraft 2024 an einem »Kultur macht stark«-Projekt beteiligt war, über das Programm und seine Möglichkeiten für Kreativschaffende.
> In einem weiteren Interview berichtet Manuel Sattler, Leiter der saarländischen Servicestelle über das Programm und seine Möglichkeiten für Kreativschaffende.
Dock 11: Hallo Andrea! Schön, dass du dir für unsere Fragen rund um deine Tätigkeit bei Kultur macht stark Zeit nimmst! Kannst du uns zu Beginn etwas über deinen beruflichen Hintergrund erzählen? Und in welchem lokalen Bündnis warst du im Rahmen des Programms »Kultur macht stark« aktiv?
Andrea: Hallo, klar, ich bin Andrea Rauscher, studierte Modedesignerin und seit rund 30 Jahren Wahl-Saarländerin. Seit etwa 20 Jahren gebe ich mit viel Freude und Energie kreative Kurse für Kinder und Jugendliche – vor allem zu nachhaltigem Upcycling in den Bereichen Kunst und Mode.
Ein fester Bestandteil meiner Arbeit sind die Workshops an der freien Kunstschule Artefix in Homburg, mit der ich schon seit zwei Jahrzehnten zusammenarbeite. Außerdem war ich längere Zeit für verschiedene Kultureinrichtungen tätig, zum Beispiel für MUS-E Deutschland e.V., das Kulturamt der Stadt Saarbrücken oder das Frauenbüro im Saarpfalz-Kreis. Seit zwei Jahren unterrichte ich zusätzlich am Montessori Campus Saarpfalz. Und wenn ich nicht gerade Workshops gebe oder unterrichte, widme ich mich meinem eigenen kleinen Kunsthandwerkslabel: DAMADRAMA! Kreativität zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben – und genau das möchte ich auch an andere weitergeben.
Kreativität zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben – und genau das möchte ich auch an andere weitergeben
Im Rahmen des Förderprogramms »Kultur macht stark« war ich im Auftrag von Artefix e.V. Teil eines sechsköpfigen Dozent:innenteams, welches das Projekt »Gemeinsam – verschieden« an der Freiwilligen Ganztagsschule Bruchhof in Homburg im Nachmittagsbereich durchgeführt hat. Projektbeginn war Anfang 2024. Ziel war es, mit den Kindern ab der zweiten Klasse kreative Ausdrucksformen zum Thema »Gemeinsam – Verschieden« zu entwickeln. Sie konnten sich dafür in Arbeitsgemeinschaften aus den Bereichen Musik, Tanz, Theater, Rap, Film, Kostüm und Bühnenbild eintragen. Zu Beginn des Projekts fand ein »Open Up«-Event statt, an dem wir Dozent:innen uns und unsere jeweiligen Workshop-Inhalte den Kindern vorstellten. So konnten sie einen Eindruck gewinnen, was sie in den einzelnen AGs erwartet, und eine passende Entscheidung für ihre Teilnahme treffen.
Die Workshops fanden in der Regel einmal wöchentlich am Nachmittag statt, die Ferien ausgenommen, wobei wir uns im Team abwechselten. Die ersten Zwischenergebnisse wurden zum Schuljahresende im Rahmen eines Schulfestes präsentiert – eine erste Gelegenheit für die Kinder, ihre kreativen Beiträge auf einer kleinen Bühne zu zeigen. Nach den Sommerferien 2024 ging das Projekt in eine zweite Phase, die bis November 2024 lief. Eine große Abschlussaufführung in der Aula des Saarpfalz-Gymnasiums war unser Finale. Alle AGs präsentierten ihre Arbeitsergebnisse einem größeren Publikum. Das Besondere an dem Projekt war, dass alle Bereiche – von Musik, Rap und Tanz über Theater bis hin zu Kostüm und Bühnenbild – zu einem gemeinsamen Gesamtevent zusammengeführt wurden, das wie ein ganzheitliches Theaterstück inszeniert war. Der Film, der zum »Making of« mit den Kindern gedreht wurde, bildete den Abschluss. Das Projekt förderte kreativen Austausch, Vielfalt und Teamarbeit und leistete so einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Bildung und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft, Sprache oder sozialem Hintergrund.
Das Projekt förderte kreativen Austausch, Vielfalt und Teamarbeit und leistete so einen wertvollen Beitrag zur kulturellen Bildung
Dock 11: Welche konkreten Aufgaben hast du in dem Projekt übernommen? Und wie hast du die Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses erlebt?
Andrea: Mein Part im Projekt war die Gestaltung und Umsetzung des Bühnenbilds und der Requisiten. Gemeinsam mit den Kindern habe ich ein flexibles Bühnenbild entwickelt, Masken bemalt und Kostüme sowie Requisiten improvisiert. Die Kinder konnten sich kreativ richtig austoben. Wir haben unter anderem große Tableaus gestaltet, auf denen ihre Namen standen. Ein weiteres Tableau zeigte ihre Herkunftsländer, ein drittes die Begrüßungen in den jeweiligen Landessprachen. So entstand ein farbenfrohes, vielseitiges Bühnenbild mit ganz persönlicher Note, eben »Gemeinsam – Verschieden»!
Die Masken, die die Kinder gestalteten, spiegelten ihre Gefühle wider – eine Frage lautete zum Beispiel: Wie fühlst du dich gerade? Diese Masken kamen auch bei der Aufführung zum Einsatz. Für die Theaterkinder haben wir Kostüme improvisiert – mit Tüchern, abgeschnittenen Hemden und allem, was mein Fundus hergab. Für die Musik- und Rap-Gruppe gab es eigens gestaltete T-Shirts mit Gespenstern und Fledermäusen – passend zu Halloween, das gerade das große Thema war. Unsere direkte Ansprechpartnerin war die Leitung der FGTS – und die Zusammenarbeit hat wirklich super funktioniert. Das Team war sehr kooperativ und hat im Rahmen der schulischen Möglichkeiten alles getan, um unser Projekt zu unterstützen.
Die Zusammenarbeit hat wirklich super funktioniert
Die größte Herausforderung war definitiv die Terminplanung: Wann können die Kinder? Wann die Dozentinnen? Und wo finden wir überhaupt Platz – in einer Schule, die trotz zusätzlicher Container komplett aus allen Nähten platzt? Wir haben in zwei Schichten mit jeweils zwei Dozentinnen gearbeitet, was natürlich auch eine gewisse Logistik erforderte. Trotzdem haben wir gemeinsam immer wieder gute Kompromisse gefunden – sei es für die Musizierenden, die Rapperinnen oder auch für meinen Bereich mit Kostüm und Requisite.
Besonders war auch, dass wir ein offenes, kreatives Projekt in einem schulischen Rahmen umsetzen durften – was nicht ganz einfach ist, weil solche Projekte mehr Freiheiten brauchen, als der Schulalltag oft zulässt. Aber auch hier hat uns die Schule größtenteils sehr unterstützt. Was wirklich herausfordernd war, war die gemeinsame Abstimmung: Alle Dozentinnen und die Schule an einen Tisch zu bekommen, war bei so vielen unterschiedlichen Zeitplänen ein organisatorischer Kraftakt. Zoom-Meetings haben vieles erleichtert, aber die Terminfindung blieb schwierig – wir konnten eher abends, die Schule tagsüber. Die Kommunikation war dadurch nicht immer einfach.
Trotz allem: Wir haben das insgesamt gut hinbekommen – mit Flexibilität, gegenseitigem Respekt und viel Engagement.
Dock 11: Wie wurdest du für dein Engagement im Projekt vergütet? Und konntest du darüber hinaus auch auf anderer Ebene von deiner Beteiligung profitieren – zum Beispiel durch neue Kontakte, Erfahrungen oder Folgeprojekte?
Das Projekt ist eine große Bereicherung und bietet eine wunderbare Möglichkeit, Kinder kreativ zu fördern und kulturelle Bildung für a l l e Kinder erlebbar zu machen
Andrea: Ich wurde mit 50 € pro Zeitstunde vergütet – inklusive Vor- und Nachbereitung. Was den persönlichen Gewinn betrifft: Beruflich hat sich für mich dadurch nichts verändert. Ich bin seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig, arbeite regelmäßig an ähnlichen Projekten – auch im Brennpunkt. D.h. Sowohl Dozentinnen und Bündnispartner:innen waren mir bekannt. Was mich aber wirklich motiviert und erfüllt, ist die Bestätigung meiner Arbeit durch die Kinder. Ihr Strahlen nach der Aufführung, ihr Stolz auf das Erreichte, das neu gewonnene Selbstbewusstsein – das ist der wahre »Profit«. Es ist genau dieser Moment, in dem man merkt: Es hat Klick gemacht. Diese direkte, ehrliche Rückmeldung der Kinder ist der Grund, warum ich irgendwann die Modebranche verlassen habe – weil mir diese echte menschliche Verbindung einfach mehr bedeutet.
Dock 11: Würdest du anderen Kulturschaffenden empfehlen, sich im Rahmen von »Kultur macht stark« zu engagieren? Und gab es in deinem Fall die Möglichkeit, das Projekt mit bestehenden Partner:innen fortzuführen oder erneut umzusetzen?
Andrea: Grundsätzlich würde ich sagen: Ja, auf jeden Fall! Das Projekt ist eine große Bereicherung und bietet eine wunderbare Möglichkeit, Kinder kreativ zu fördern und kulturelle Bildung für a l l e Kinder erlebbar zu machen. Vom kreativen Standpunkt aus macht das echt Spaß und ich finde, jeder Kulturschaffende sollte so eine Chance nutzen. Die administrativen und organisatorischen Anforderungen sind dabei allerdings mit erheblichem Aufwand verbunden. Die bürokratischen Aufgaben umfassen unter anderem die Antragstellung, die Kalkulation von Finanzierungsfragen sowie eine extrem umfangreiche Dokumentationspflicht. So müssen beispielsweise die Daten der teilnehmenden Kinder – Name, Alter, Klasse und Geschlecht – regelmäßig sorgfältig erfasst und nachgewiesen werden. Zusätzlich sind Abschlussberichte sowie eine abschließende Abrechnung einzureichen. Dieser administrative Aufwand erfordert sehr viel Zeit, Know-how und Engagement und wurde in unserem Fall von der Leitung der Freien Kunstschule Artefix auf ehrenamtlicher Basis getragen. Für mich persönlich hat sich daraus kein direktes Folgeprojekt ergeben. Ich habe mich tatsächlich auch nicht aktiv darum bemüht, weil ich beruflich gut ausgelastet bin und aktuell keine Kapazitäten habe, das weiterzuführen.
Dock 11: Danke Andrea für deine detaillierten Einblicke! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg in der Kreativwirtschaft!
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