Kunst trotz(t) Corona – Musée des Beaux-Arts de Nancy
Seit einigen Jahren steht der Museumsbetrieb vor der Herausforderung, seine Ausstellungsorte ins 21. Jahrhundert zu führen. Hier stehen zwei Themen im Vordergrund:
Auf der einen Seite, den Vorwurf zu entkräften, Museen und Kunstvermittlung seien zu elitär und für junge und/oder bildungsferne Schichten unzugänglich. Auf der anderen Seite macht die Digitalisierung auch vor musealen Institutionen nicht Halt. Dieser Transfer ins Digitale findet an Orten, die einen spielerischen und ungezwungenen Umgang mit Neuem eigentlich katalysieren sollten, überraschend oft nach den gleichen Mustern statt.
WIE HABEN AUSSTELLUNGSORTE UND KUNSTINSTITUTIONEN DIESE ZEIT GENUTZT, SICH AUF DIESE MASSIVEN UND SCHNELLEN VERÄNDERUNGEN EINZUSTELLEN?
Nun hat das Coronavirus das kulturelle Leben weltweit seit ungefähr einem Jahr in seinem engen Griff. Anlass genug für uns zu fragen: Wie haben Ausstellungsorte und Kunstinstitutionen diese Zeit genutzt? Dazu haben wir fünf Institutionen der Kunstpräsentation aus der Großregion befragt: Die Moderne Galerie in Saarbrücken, das Musée des Beaux Arts in Nancy, das Arp Museum Bahnhof Rolandseck, das MUDAM in Luxembourg, sowie das Musée de la Boverie aus Lüttich. Wir fragten die Verantwortlichen unter anderem nach ihren veränderten Arbeitsweisen während des Lockdowns, nach pandemiegerechten neuen Angeboten sowie der Innovationskraft der Kreativwirtschaft.
Im fünften und letzten Teil unserer Reihe »Kunst trotz(t) Corona – Museen im Lockdown« sprechen wir mit dem Musée des Beaux-Arts de Nancy.
Dock 11: Hat das Musée des Beaux-Arts die Zeit des Lockdowns trotz aller Widrigkeiten auch produktiv nutzen können? Inwiefern hat sich das Museum dadurch auch strategisch neu ausrichten müssen?
Musée des Beaux-Arts: Ja, der Lockdown hat uns auf jeden Fall sowohl den Umfang als auch die Nutzung unseres digitalen Angebots infrage stellen lassen. Bereits vorhandene Inhalte wurden auf der Website eingebunden und auf den Social Media Kanälen des Museums geteilt. Auch haben wir Plattformen bespielt, die wir vorher nicht genutzt haben, wie z.B. Soundcloud. Zudem haben wir neuen Content geschaffen: Podcasts, Videos und Animationen sowie ein Bildungsangebot zu verschiedenen Werken. Vorträge wurden in Webinare umgewandelt, Besuche vor Ort in digitale Live-Führungen und Veranstaltungen (Museumsnacht, Valentinstag, Nacht der Studierenden) zu digitalen Formaten. All dies hat uns allerdings auch dazu gebracht, uns weiterzuentwickeln!
Dock 11: Inwieweit konnte der durch die Pandemie entstandene Innovationsdruck genutzt werden? Wurde das Angebot durch digitale Ergänzungen erweitert?
Zusammen mit Da Vinci und Goethe
Musée des Beaux-Arts: Auf jeden Fall. Wir haben uns, wie schon angesprochen, auf die Herausforderung konzentriert, unserer Community auf direktem Weg – sowohl auf Social Media, als auch auf der Website – so viel Content wie möglich zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck haben wir beispielsweise an Coding da Vinci teilgenommen. Die Teilnahme an diesem Projekt war sehr wichtig und nur möglich, weil wir in andere Bereiche weniger Zeit investieren konnten, wie beispielsweise Besucher:innen im Museum zu empfangen.
Weiterhin haben wir mit dem Goethe-Institut in Nancy kooperiert. Im letzten Jahr war Saskia Riedel mit ihrem Projekt arcs audio dort in Residenz. Gemeinsam haben wir daran gearbeitet, unsere Besucher:innen-App auszubauen. Das war eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit, da ihr Projekt der Idee des Musée des Beaux Arts entspricht, neue Blickwinkel für Besucher:innen zu öffnen und über die App zugänglich zu machen. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit finden sich zum Beispiel in der App unter der Rubrik »Ma visite« -> »Avec les yeux de«. Hier wurde die Einführung in die Arbeit und die Person des Künstlers Philippe Claudel durch die Ergebnisse der Methodik von Saskia ergänzt. Sie hat dafür Kommentare und Aussagen von Besucher:innen zu ausgewählten Werken unserer Sammlung aufgenommen. Sobald das Museum für kurze Zeit wieder eröffnet wurde, starteten wir einen Aufruf nach Freiwilligen für eine Durchführung des Projekts auf Französisch, Englisch und Deutsch. Zusammen mit Saskia konnten wir 21 Mitwirkende gewinnen, welche sich jeweils zu zwei bis vier Werken interviewen ließen. Die aufgezeichneten Interviews werden derzeit in die Besucher:innen-App integriert. Dort finden sich auch kleine Videos, sogenannte Teaser, die das Projekt veranschaulichen. Dieser digitale Rundgang mit dem Titel »Durch die Augen von Besucher:innen« soll auf der App veröffentlicht werden, sobald die Museen wieder öffnen… Wann auch immer das sein mag!
Dock 11: Inwieweit wurden diese Veränderungen durch Input aus der Kreativwirtschaft unterstützt?
Wir haben eigentlich keine Unterstützung von externen Dienstleister:innen in Anspruch genommen. Die Zusammenarbeit mit Saskia Riedel entstand ja durch die Kooperation mit dem Goethe-Institut, wo sie wiederum durch die Metropolregion Nancy gefördert wurde.
Das Projekt Majorelle Mystery, ein Online-Escape Game über die Villa Majorelle in Nancy, das aus unserer Teilnahme an Coding da Vinci entstanden ist, wurde durch ein Stipendium unterstützt, das zwei der Student:innen des Teams für seine Entwicklung und Fertigstellung erhielten. Das Spiel wird am 8. April 2021 offiziell auf unserer Website veröffentlicht.
Teilnehmende aus Nancy, Paris, Berlin, Épinal und Lyon
Dock 11: Hat sich durch die Verlagerung ins Digitale die geographische, aber auch die soziale Ausrichtung des Musée des Beaux-Arts in Bezug auf Zielgruppen und Publikum geändert?
Ja, das Publikum und die Zielgruppen haben sich in jedem Fall vergrößert. Die Webinare (zum Beispiel Treffen mit Künstler:innen, Live-Touren und digitale Veranstaltungen) können ja auch von nicht ortsansässigen Personen besucht werden! Generell hat sich der Zugang zu unserem Angebot vereinfacht.
Die Veranstaltung »wiki Villa Majorelle« zum Beispiel, die am 20. März 2021 stattgefunden hat, hat Teilnehmende aus Nancy, Paris, Berlin, Épinal und Lyon zusammengeführt!
Dock 11: Wie hat sich die Kommunikation mit der Community des Musée des Beaux-Arts seit Corona verändert?
Ein Austausch findet leider nur über Social Media und E-Mails statt. Während der Webinare haben wir zudem einen Chat zur Verfügung gestellt. Die Nachfrage nach Content innerhalb unserer Community auf Social Media, vor allem auf Facebook und Instragram, war groß. Somit war auch die Reaktion auf unsere Beiträge dementsprechend positiv im Bezug auf Likes.
Intensive digitale Kommunikation
Dock 11: Was wird an Neuerungen und digitalen Ergänzungen auch in der Zeit nach Corona bleiben?
Wir werden auf jeden Fall mit den Video-Serien weitermachen (»1 Werk in 5 Minuten« und »Tiere in der Kunst erzählen ihre Geschichten«), sowie auch mit den Podcasts (»Durch die Augen von Kindern«). Wir planen weitere virtuelle Touren durch das Museum, gleichzeitig zur Wiedereröffnung der Museen und der Ausstellungen (was hoffentlich bald der Fall sein wird), sowie noch mehr und konstantere Online-Formate.
Im Bezug auf digitale Veranstaltungen war besonders unser Online-Wiki ein großer Erfolg. Es hat uns ermöglicht eine Community zusammen zu bringen, die sich vor Ort nicht so getroffen hätte.
Abschließend kann man wohl sagen, dass die digitale Kommunikation mit unseren Besucher:innen über die langen Monate der Schließung sehr intensiv war. Das hat die Community in jedem Fall zusammen gehalten.
Dock 11: Danke für die Mitwirkung an unserer Reihe und für das angenehme Gespräch!
Aus dem Französischen von Christina Droll.
Mehr Infos und News rund um die Kreativbranche lest ihr in unserem Magazin!