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Best Practice

Lacuna: Sci-Fi-Noir-Adventure aus dem Saarland

Die Gamesbranche boomt und ein saarländisches Studio spielt ganz vorne dabei mit: DigiTales Interactive. Wir sprachen mit Geschäftsführer Julian Colbus über ihre jüngsten Erfolge, neue Vermarktungsformate und natürlich über ihr Erfolgs-Game »Lacuna«.

Ein Bild von Lacuna, einem Sci-Fi-Noir-Adventure aus dem Saarland

Die Gamesbranche erhielt während der Lockdown-Phasen einen enormen Schub und wächst aktuell rasant weiter. Allein im ersten Halbjahr 2021 betrug das Umsatzwachstum 22%. Auch saarländische Games-Entwickler:innen haben einen beachtlichen Anteil daran. Ein Saarbrücker Studio sorgt dabei seit einiger Zeit für Schlagzeilen: DigiTales Interactive. Nachdem sie bereits 2021 für ihr Erstlingswerk »Lacuna« mit dem Game Award Saar ausgezeichnet wurden, gehörten sie damit nun zu den drei Nominierten für die Kategorie »Bestes Deutsches Spiel« beim Deutschen Computerspielpreis. Anlass genug, um uns mit dem Geschäftsführer von DigiTales Interactive, Julian Colbus zu unterhalten.  

Dock 11: Lieber Julian, wir erwischen euch ganz frisch nach der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises 2022 in München, wo ihr unter den ersten Drei für das beste deutsche Spiel gelandet seid. Was bedeutet diese Auszeichnung für euch und was zieht ihr daraus für die Zukunft von DigiTales Interactive?

Julian: Wir hatten schon mit der Nominierung in der Haupt-Kategorie überhaupt nicht gerechnet. Im besten Fall dachten wir, dass wir bei »Bestes Debüt« vielleicht eine Chance haben. Die Nominierung für »Bestes Deutsches Spiel«, wo wir uns gegen über 450 Titel durchgesetzt haben und die uns 30.000 € Preisgeld eingebracht hat, hat all unsere Erwartungen übertroffen. Für die Zukunft der Firma bedeutet es aber offen gestanden nicht allzu viel. Ob wir weiterhin erfolgreich sind, hängt einzig davon ab, ob wir gute Games machen.

Die Nominierung hat all unsere Erwartungen übertroffen

Dock 11: Worum genau geht es in Lacuna, was macht es so besonders? 

Julian: Lacuna ist ein 2D-Adventure mit Sci-Fi-Noir-Setting, in dem die Entscheidungen des Spielers den Verlauf und den Ausgang der Geschichte bestimmen. Wir haben das Rad nicht neu erfunden, sondern bekannte Elemente in ungewöhnlicher Konfiguration zusammengesetzt. Es spielt sich ein bisschen wie ein Point&Click-Adventure, aber die Steuerung ist direkter. Die Art und Weise, wie der Spieler die Fälle löst, weicht auch von der P&C-Formel ab, insofern als wir auf Minispiele, Inventar oder Ähnliches verzichten. Alles ist sehr eng um die Story konstruiert und man muss wirklich aufpassen, wer was sagt.

Dock 11: Lacuna habt ihr als 2D-Adventure im Retro-Look gestaltet. Wie seid ihr zu diesem Style gekommen? Gibt es Vorbilder aus dem Genre, die euch vielleicht neben dem Artwork auch im Storytelling beeinflusst haben? 

Julian: Der Pixel-Art-Look ist von uns gar nicht als retro intendiert, sondern eine rein stilistische Entscheidung, für die es viele Gründe gab. Wir wollten Raum für Interpretation lassen und dem Spieler anbieten, manche Details in seinem Kopf auszufüllen. Außerdem bot es sich metaphorisch an, den Hauptcharakter buchstäblich winzig klein zu machen. Beim Game Design haben wir uns eher bei modernen Titeln inspiriert, z. B. bei der Steuerung von Oxenfree und den Detective-Mechaniken von Detective Grimoire. Natürlich haben wir auch ein paar alte Adventures gespielt, aber wir wollten in mehrfacher Hinsicht bewusst mit der Tradition brechen.

Dock 11: A Propos Storytelling: Du und deine Geschäftspartnerin Jasmin habt einen literaturwissenschaftlichen Background. Wie sehr hilft euch euer literarisches Studium bei der Entwicklung von Charakteren, dem Worldbuilding und Stories?

Julian: Es hilft mit Sicherheit insofern, als wir im Studium natürlich eine Menge gelesen und Handwerkszeug zur Analyse mitbekommen haben. Allerdings lernt man kein kreatives Schreiben in der Literaturwissenschaft, das haben wir uns selbst angeeignet. Ich denke fast, dass aufmerksames Rezipieren von Büchern, Games, Serien usw. unter dem Strich am meisten bringt. Man lernt eine Menge, wenn man dabei bewusst auf Strukturen und Techniken achtet, und man versteht mit der Zeit, was eine gute Geschichte ausmacht. Dabei helfen uns unsere Skills aus der Literatur- und Medienwissenschaft sehr.

Verstehen, was eine gute Geschichte ausmacht

Dock 11: Durch den relativ einfachen Zugang zu Plattformen wie Steam & Co. ist die Konkurrenz auch durch die vielen Indies groß. Von den großen internationalen Studios ganz zu schweigen. Welche Rolle spielt dabei für euch als kleines Entwicklerteam ein Publisher – wie in eurem Fall Assemble Entertainment

Julian: Ich finde nicht, dass allzu starke Konkurrenz zwischen Indies besteht. Die allermeisten von uns machen kurze, relativ günstige Singleplayer-Spiele. Ein Spieler kann diese Woche unser Game durchspielen und nächste Woche das Game von unseren Freunden. Es stimmt aber, dass man auf Plattformen wie Steam um Sichtbarkeit kämpfen muss. (Gleichzeitig will ich aber erwähnen, dass der Markt für Games stark wächst und mehr Gamestudios denn je finanziell tragbar sind.) Ohne unseren Publisher wären wir in der Hinsicht vermutlich hoffnungslos verloren. Assemble hat weitere Spiele auf Steam, deren Storeseiten man untereinander verlinken und die man zusammen in Publisher-Sales u. Ä. präsentieren kann. Hinzu kommt, dass sie mit Partnern in aller Welt arbeiten, die unser Spiel vor Ort lokalisieren, vermarkten und vertreiben. Dank dem chinesischen Partner WhisperGames haben wir in China mitunter die meisten Einheiten verkauft. 

Dock 11: Der Games-Markt wartet mit immer neuen Bezahlmodellen auf. Wie monetarisiert ihr Lacuna und wie steht ihr zu aktuellen Entwicklungen wie Microtransactions und pay to win Modellen? Könntet ihr euch andere Modelle für eure Games vorstellen?

Dark patterns sollten deutlich härter abgestraft werden

Julian: Wir sind, wie fast alle Spieler auf der Welt, große Fans des klassischen Premium-Modells. Wer ein Mal bezahlt, bekommt das Game für immer; optional gibt es eine teurere Version mit digitalem Soundtrack, von der unser Publisher einen Teil für gemeinnützige Zwecke spendet. Andere Bezahlmodelle werden teils zu recht verteufelt, aber in manchen Fällen sind sie auch ein Resultat davon, wie ein großes Studio operiert. Wenn ein Department bis zur Release nichts Sinnvolles mehr zu tun hat, sollte es geschlossen gefeuert werden oder lieber an Cosmetics oder anderem DLC arbeiten? Gleichzeitig sollten dark patterns – die übrigens weit über Monetarisierung hinausgehen, beispielsweise die gezielte Förderung von Suchtverhalten – deutlich härter abgestraft werden, sowohl von den Communities als auch vom Gesetzgeber.

Dock 11: Das Thema NFT ist aktuell in aller Munde und wird sehr emotional diskutiert. Habt ihr euch schon im Kontext eures Business damit befasst und wo liegen eurer Ansicht nach dabei die Vor- wie auch Nachteile für Spieleentwickler:innen und das Publikum?

Julian: Viele Leute in der Gamesbranche haben dem Thema gegenüber eine starke Ablehnung entwickelt. Ich bin neuen Ideen und Technologien gegenüber sehr offen, aber auch nach Konversationen mit anderen Spieleentwicklern, die für das Thema brennen, muss ich leider sagen, dass sich mir der Sinn von NFTs in Games nicht erschließt. In diesem Kontext fallen außerdem ständig Begriffe wie »Besitz«, »Monetarisierung« usw., die keine Qualitätsmerkmale von Spielen sind. Ich habe den Eindruck, dass viele solche Projekte um das NFT-Gimmick aufgebaut werden, statt zunächst mal ein gutes Game zu sein – dank ganz klassischer Eigenschaften wie, ihr wisst schon, gutem Game Design.

Dock 11: Habt ihr in der aktuellen Phase eures Wachstums überhaupt noch Zeit, selbst zu zocken, auch, um die neuesten Entwicklungen der Konkurrenz auszutesten und Trends aufzuspüren? Welcher Titel der jüngsten Vergangenheit war für euch der revolutionärste?

Zocken um Lösungen für bestimmte Designprobleme zu finden

Julian: Klar! Zunächst einmal achten darauf, dass wir alle normale Arbeitszeiten haben. Bei Jasmin und mir gelingt das zwar des Öfteren nicht, aber zum Zocken nehmen wir uns regelmäßig Zeit. Dass wir großen Trends nachspüren, würde ich aber nicht sagen; wir tun in unserer Nische, was uns – und anscheinend einem kleinen Publikum da draußen – gefällt. Wir spielen allerdings privat und manchmal auch mit dem Team ähnliche Games, um deren Lösungen für bestimmte Designprobleme anzuschauen und ggf. zu adaptieren. Was revolutionäre Titel angeht, waren die letzten paar Jahre sehr ergiebig. Im Detective-Genre ist in meinen Augen Return of the Obra Dinn unangefochten.

Dock 11: Lieber Julian, vielen Dank, dass ihr für uns Zeit hattet, wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

Mehr zu Lacuna und DigiTales Interactive erfahrt ihr in diesem Let´s play von Rocket Beans Gaming:

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