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Best Practice

Lichtdesign: die Suche nach dem Genius Loci

Die Eheleute Tobias und Oliver Link sind Lichtdesigner und betreiben seit 1991 ein Lichtplanungsbüro in Saarbrücken.

»Uns treibt das Leuchten in den Augen unserer Kunden an« 2

Ihr Portfolio reicht dabei von der Bürolichtgestaltung bis hin zur Inszenierung von Stadtparks und öffentlichen Plätzen. Wir sprachen mit ihnen unter anderem über das Know-how von Lichtdesigner:innen, Herausforderungen durch die Energiekrise und über Erfahrungen aus über 30 Jahren Lichtdesign.

Dock 11: Hallo Tobias, Hallo Oliver! Wir freuen uns, dass ihr Zeit für unsere Fragen habt! Ihr beide bekleidet ein Berufsbild, das viele Menschen gar nicht auf dem Schirm haben. Wie wird man denn zum Licht- und Leuchtendesigner

Tobias & Oliver: In unserem Fall ist es die Faszination für Licht und seine Vielfältigkeit. Egal ob Kunst- oder Tageslicht, es gibt wahrscheinlich kein so unterschätztes Medium wie das Licht. Wir erleben unsere Umwelt zu über 80 % visuell, alle Lebewesen sind geprägt vom Licht. Es bestimmt unsere Gefühlswelt, es beeinflusst ganz unmittelbar unseren circardianen Rhythmus und damit unsere Gesundheit. 

Daher ist die Arbeit mit Licht so facettenreich und verantwortungsvoll. Ein schönes Beispiel ist zum Beispiel ein Lichtmasterplan für eine Stadt. Wenn man sich bewusst macht, dass eine Stadt in der Nacht komplett im Dunkel versinkt und man als Lichtplaner mittels Kunstlicht die Regie darüber in der Hand hält, wie der Lebensraum sich in den Nachtstunden anfühlt, dann wird einem bewusst, wie kreativ und verantwortungsvoll die Arbeit mit Licht ist. Man ist in der Lage, Lebensräume mit Charakter, unverwechselbarem Charme und Ortsbezug zu schaffen – je nachdem, wie man Oberflächen in seiner Planung gewichtet. Ein schönes Beispiel ist hier die Umgestaltung der Fußgängerzone in der Lebacher Innenstadt. Am Tag dominiert die triste Zweckarchitektur der umgebenden Betonfassaden. In der Nacht ändert sich der Eindruck völlig, da wir mit Licht den Fokus auf die neu gestalteten Oberflächen lenken und durch eine kontrastreiche Inszenierung eine Wohlfühlatmosphäre erzeugen. 

Lichtdesign in der Fußgängerzone in Lebach
Fußgängerzone Lebach. Foto: Tom Gundelwein

Dock 11: Ihr bezeichnet euer Berufsbild auf eurer Website als Lichtdesigner. Was sind die Kompetenzen, die ihr durch euren eher auf Design und Kunst basierenden Ansatz Kund:innen anbieten könnt, die Betriebe mit einer eher handwerklichen Auffassung in der Form nicht anbieten können? Kurz gefragt: Was sind die kreativen und innovativen Aspekte, die ihr in eure Arbeit einfließen lasst? 

Tobias & Oliver: Wir schauen ganzheitlich auf die Lichtplanung. Architekten haben oft die Formensprache der Leuchte im Fokus, Elektroplaner interessieren oft nur die Angaben aus der DIN und der technische Anschluss, Elektroinstallateuren geht es darum, schnell eine Lösung zu finden und Kunden aus dem eigenen Lager zu bedienen.

In unserer Arbeit steht der Anwender, seine Bedürfnisse und Gewohnheiten im Mittelpunkt. Wir suchen nach dem Genius Loci und entwerfen maßgeschneidert. Wenn wir mit einem Projekt starten, dann gibt es für uns zunächst keine Leitplanken. Wir sind nicht durch wirtschaftliche Zwänge oder Lieferverträge gebunden. Wir arbeiten frei, ähnlich wie Architekten, nur eben mit dem Schwerpunkt Licht. In der Entwurfsphase ist daher zunächst alles erlaubt. Da kommt es auch schon mal vor, dass die Leuchte zur Decke wird und umgekehrt, auch wenn der Bauherr zuvor gar nicht über eine zusätzlich gestaltete Ebene in Form einer lichttechnisch wirksamen Deckenskulptur nachgedacht hat. Uns ist es wichtig, dass der Ort erlebbar wird. Wir können Licht nicht berühren, aber es berührt uns, wenn es richtig geplant wird. 

Wir können Licht nicht berühren, aber es berührt uns, wenn es richtig geplant wird.

Dock 11: Neben Lichtdesign entwerft ihr – quasi als Produktdesigner – auch eigene Leuchten und Lampen. Ist der Markt so überschaubar oder wie kam es zur Gestaltung selbst entworfener Lichtquellen?

Tobias & Oliver: Tatsächlich hat einer unserer größten Kunden, die »ECE« in Hamburg, uns darauf gebracht. Als wir 2002 die erste Mall geplant haben, gab es vom Kunden die Vorgabe, alle Leuchten für das Objekt maßzuschneidern und als Projektleuchten auszuschreiben. Damals hatten wir uns noch darüber gewundert. Aber als wir uns näher damit befasst hatten, haben wir festgestellt, dass diese Arbeitsweise sehr effektiv sein kann. Man ist in der Lage, Lichtlösungen umzusetzen, für die es keine geeignete Leuchte am Markt gibt. Hierbei geht es nicht nur um die Formensprache einer Leuchte, sondern vielmehr um ihre physikalischen Eigenschaften der Lichtmischung und Lichtlenkung oder auch der Energieeffizienz. Wenn man für ein Projekt eine Sonderleuchte entwirft, dann erfüllt sie alle Anforderungen zu 100% ohne dass sie unnötige Aspekte mitbringt, wie das bei einer Serienleuchte der Fall wäre. Mit Serienleuchten versuchten Hersteller, ein größtmögliches Einsatzspektrum abzudecken. Dabei kommt es dann vor, dass solche Produkte aber viel mehr Funktionen oder Aspekte mitbringen, als man eigentlich für ein Projekt benötigt. Ein schönes Beispiel für eine maßgeschneiderte Sonderleuchte ist z.B. die »Trichterleuchte«, die wir für Möbel Martin in Saarbrücken entworfen haben.

Lichtdesign: Auf diesem Foto wird eine Trichterleuchte an der Decke montiert.
Montage Trichterleuchte. Foto: Tom Gundelwein

Hier wollten wir einen Adaptionsbereich schaffen, der den Besucher aus der jeweiligen Tageslichtsituation abholt und behutsam in das Kunstlichtklima des Gebäudes führt. Zugleich sollte die Decke im Eingangsbereich anspruchsvoll gestaltet werden. Lichttechnisch haben wir nach einer Lösung gesucht, die das diffuse Licht des Himmels und das brillante und direkt strahlende Licht der Sonne imitiert. Entstanden ist eine trichterförmige Leuchte, die lichttechnisch alle gestellten Anforderungen erfüllt hat und formal gleichzeitig auch als anspruchsvoll gestaltetes Deckenelement eingesetzt werden konnte.

So kam es auch zur Zusammenarbeit mit INSTA, GIRA und JUNG. Die Schalterhersteller kannten unsere Arbeit aus unseren unterschiedlichen Projekten und haben uns dann eines Tages gefragt, ob wir nicht Lust hätten, aus der Sicht eines Lichtplaners ein Leuchtenkonzept zu entwicklen, welches für die spezifische Position von Schalterelementen im Raum Lichtanwendungen ermöglicht. So entstand »Plug & Light«, die Lichtsteckdose.

Unsere Kreativität können wir in sehr vielen Facetten ausleben.

Dock 11: Ihr zählt Arztpraxen, Möbelhäuser, Universitäten aber auch die öffentliche Hand zu euren Kunden. Was sind die größten Unterschiede bei Lichtkonzepten für verschiedene Anwendungskontexte? In welcher Art von Projekten habt ihr am meisten Gestaltungsspielraum beziehungsweise wo ist eure Expertise am meisten gefragt? 

Tobias & Oliver: Es kommt immer darauf an, wo der Schwerpunkt des Konzeptes liegen soll. So geht es bei Möbelhäusern und Shoppingmalls grundsätzlich darum, hohe Aufenthaltsqualitäten gepaart mit einem Minimum an Energieverbrauch, also auch Kosten, zu erschaffen. In solchen Fällen ist unsere Expertise in der Entwicklung tagesdynamischer Lichtkonzepte, der Entwicklung von tageslichtdynamischen Sonderleuchten und der Entwicklung von entsprechenden Lichtsteuerungssystemen gefragt. Im Fall von Arztpraxen geht es darum, den Patienten zu entspannen, ihm ein sicheres Gefühl zu geben und dem Arzt einen optimalen Sehkomfort für seine Arbeit. Im Fall von Außenbeleuchtung geht es in erster Linie um Naturschutz, Sicherheit, aber auch Aufenthaltsqualität und Gestaltung. Ein schönes Beispiel ist unser Lichtkonzept für den Stadtpark Merzig.

Lichtdesign Stadtpark Merzig: Man sieht von unten beleuchtete Bäume
Stadtpark Merzig. Foto: Tom Gundelwein

Uns war es wichtig, den Besucher zum Schlendern und Träumen einzuladen. Der natürliche Eindruck sollte dabei verstärkt werden und spürbar sein. Der Wind ist hierbei ebenfalls Akteur des Lichtkonzeptes, denn wenn er durch die Blätter der Bäume fährt, dann rascheln diese und erzeugen im Kunstlicht, welches von oben nach unten strahlt, wunderbar bewegte Schatten, wie man sie auch am Tag vom Sonnenlicht her kennt. Unsere Kreativität können wir somit in sehr vielen Facetten ausleben. Künstlerisch gestaltend durch das Licht setzen in der Planung und Inszenierung oder bildnerisch durch den Entwurf maßgeschneiderter Leuchtenformen. Technisch durch die Entwicklung von Sonderleuchten oder Lichtskulpturen, von Steuerungskonzepten oder auch forschend durch kreative Konzepte zur Energieeinsparung.  

Dock 11: Angesichts der Energiekrise wird verstärkt auch an der Beleuchtung als einer der großen Stromverbraucher gespart. Wie könnt ihr als Lichtdesigner hier zu effizienterer und trotzdem effektvoller Beleuchtung und somit zur Energieeinsparung beitragen?  

Tobias & Oliver: Es wird oft fälschlich angenommen, dass Energieeinsparung nur durch besonders sparsame Leuchten erzielt wird. Das stimmt so nicht. Das sehen wir oft im Fall von energetischen Sanierungen. Da wird gerne der 1:1 Austausch in Erwägung gezogen. Also alte Leuchte raus und neue energiesparende neue Leuchte rein. So umgesetzt verschenkt man wertvolles Energieeinsparpotenzial. 

Uns steht in der Lichtplanung eine große Auswahl an Leuchten mit ganz unterschiedlichen Lichtlenkungen für die unterschiedlichsten Anforderungen zur Verfügung. Wir verfügen heute über ganz andere Technologien als noch vor 10 Jahren. Wenn wir heute neu planen oder sanieren, dann steht uns ein großes lichttechnisches Instrumentarium an Lichtverteilungskurven, Leuchtengehäusen und Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung. Alleine durch die Kombination, Anordnung und Ausrichtung unterschiedlicher, aufeinander abgestimmter Ausstrahlwinkel lässt sich ein hoher Sehkomfort und damit eine hohe Aufenthaltsqualität mit einem Minimum an Energieverbrauch erzeugen. Und gerade das Thema Steuerung ermöglicht uns heute Energieeinsparpotenziale, die man früher nicht für möglich gehalten hätte. So erarbeiten wir für unseren Kunden Möbel Martin gerade ein Lichtkonzept, welches in der Lage ist, bis zu 80 % Energie im Vergleich zur »alten« LED Beleuchtung einzusparen. Ein spannendes Beispiel ist hier auch das Stadtquartier RoutLëns der Stadt Esch in Luxemburg. Hier entwickeln wir  gerade ein Stadtlichtkonzept, das sich adaptiv nach der Nutzungsfrequenz seiner Bewohner richtet. Wo nichts los ist, muss auch keine Energie verbraucht werden. Und das im Maßstab eines ganzen Stadtviertels. Das ist es, was unsere Arbeit so kreativ macht. 

Uns treibt das Leuchten in den Augen unserer Kunden an.

Dock 11: Ihr habt mittlerweile über 30 Jahre Erfahrung im Licht-Business. Was wisst ihr heute, was ihr eurem jüngeren Ich gerne mitgeben würdet?

Tobias & Oliver: Was uns ausmacht, ist unser Wissensdurst und die ungebremste Freude an technischem Fortschritt. Uns treibt das Leuchten in den Augen unserer Kunden an, wenn sie zum ersten mal die fertigen Projekte sehen und sich hineinfühlen. So ausgestattet waren wir zu jeder Zeit allem offen, was auf uns zukam. Wir haben zu jeder Zeit verfügbare Technologien bis zum Anschlag kreativ gebogen und gemischt und so für unsere Projekte nutzbar gemacht. Oft entstand, beim Blick über den Gartenzaun, viel Neues und Unbekanntes. Wenn wir auf diese Weise Technologien vorantreiben konnten, dann haben wir alles richtig gemacht. Von daher wäre der größte Tipp an unser jüngeres Ich: »Bleib neugierig und mutig, Neues auszuprobieren!«… und das nicht nur in Bezug auf das Thema Licht.

Dock 11: Lieber Tobias, lieber Oliver, vielen Dank für das informative Gespräch!

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