Neues zum Mindesthonorar
Seit dem 1. Juli 2024 gelten neue Honoraruntergrenzen für die Bezahlung von Künstler:innen auf Bundesebene. Was genau diese Neuerungen sind, was sich auf Ebene der Bundesländer diesbezüglich gerade tut und was das alles für euch bedeuten kann, haben wir in diesem Beitrag zusammengefasst.
Von Dock 11-Teammitglied Rainer
Seit dem 1. Juli 2024 gelten in Deutschland neue Honoraruntergrenzen für die Bezahlung von Kreativschaffenden auf Bundesebene. Das heißt konkret, dass Projekte und Institutionen, die zu mindestens 50% durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert werden, diese Mindesthonorare einhalten müssen. Das klingt nach einer klaren und für die betroffenen Branchen der Kreativwirtschaft überaus positiven Regelung. Aber es stellt sich, wie so oft, im Detail leider doch etwas komplexer und uneindeutiger dar.
Denn noch sind eine ganze Reihe von selbstständigen Tätigkeiten in den Listen der Bundesbeauftragten nicht erfasst, stellt der deutsche Kulturrat fest. So fehlen beispielsweise aktuell noch Bereiche wie Design oder die Leistungen selbständiger Kurator:innen. Die Auflistung der BKM umfasst bisher Wort, Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Musik und kulturelle Bildung. Der Deutsche Kulturrat hat die dazugehörige Matrix Basishonorare der KMK (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland) für euch hier ausführlich dargelegt.
Wer ist eigentlich Kunst- und Kulturschaffende:r?
Ein weiterer, noch nicht eindeutig definierterAspekt: Die Honoraruntergrenzen gelten ausschließlich für professionelle Künstler:innen und sind nicht anwendbar für Amateure oder bei Leistungen im Rahmen eines Wettbewerbs, der zur Nachwuchsförderung dient. Aber wie stellt man nun fest, wer professionell Kreativ-, Kunst- und Kulturschaffende:r ist? Denn es handelt sich ja um keinen geschützten Beruf, und entsprechend zur Berufsausübung wird in der Regel keine Ausbildung vorausgesetzt. Auch zu dieser Thematik liefert euch der Kulturrat Informationen und listet Merkmale künstlerischer Tätigkeiten auf.
Darüber hinaus sind die regelmäßig auf den aktuellen Stand gebrachten Info-Seiten des Kulturrats zur Thematik immer einen Blick wert! Auch die Kulturprojekte Berlin GmbH hat den Honoraren eine Sonderseite gewidmet, auf der ihr auch verschiedene Honoraruntergrenzen nach Sparten recherchieren könnt. In diesem Kontext hat der »Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Rheinland-Pfalz im Bundesverband e.V. (BBK RLP)« Anfang August einen Online-Mindesthonorarechner für Bildende Künstler:innen lanciert, um mit ihm mehr Transparenz und Planungssicherheit bei Kunstschaffenden, Auftraggeber:innen und Veranstalter:innenn zu schaffen.
Wie stellt sich die Situation aktuell auf der föderalen Ebene der Bundesländer dar?
Die Regelungen sind dort noch uneinheitlich: bisher haben nur Mecklenburg-Vorpommern und Bremen verbindliche Honoraruntergrenzen verabschiedet (dazu untenstehend mehr). Nordrhein-Westfalen hat vor der parlamentarischen Sommerpause auch einen ersten Schritt gewagt und zum 1. August Untergrenzen zumindest in den Programmen der Kulturellen Bildung, die allein vom Land gefördert werden, eingeführt. Ab Januar 2026 sollen dann in allen Kreativsparten Mindesthonorare bei Landesförderungen gelten. Und der Rest der Republik? Einige Länder haben Untergrenzen für bestimmte Sparten eingeführt, geben Leitlinien oder erörtern momentan erst die Möglichkeiten. Das Signal des Bundes ist dabei auf jeden Fall ein erster wichtiger Schritt hin zu längst überfälliger angemessener Entlohnung Kulturschaffender, trotz der aktuell noch existierenden Lücken. Aber es gibt auch kritische Stimmen.
Wir haben für euch recherchiert, worin die großen Chancen, aber auch mögliche Risiken der Honoraruntergrenzen insbesondere auch bei Einführung auf Länderebene liegen können.
Essentielle positive Effekte für Kreativschaffende
Existenzsicherung: Die neuen Regelungen sollen sicherstellen, dass ihr für eure Arbeit fair entlohnt werdet und ein existenzsicherndes Einkommen erhaltet. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebensbedingungen Vieler.
Wertschätzung eurer künstlerischen Arbeit: Mit der Festlegung von Mindesthonoraren soll eure Arbeit endlich auch finanziell anerkannt werden. Dies könnte zu einer stärkeren Wertschätzung und höheren gesellschaftlichen Anerkennung eurer Tätigkeiten führen.
Gleichberechtigung: Die Honoraruntergrenzen tragen zur Gleichstellung in der KKW bei, indem sie einheitliche Standards für die Bezahlung schaffen und verhindern, dass ihr zu unzumutbaren Konditionen arbeiten müsst.
Demgegenüber existieren auch potenzielle Nachteile beziehungsweise Risiken, die mit den neuen Honoraruntergrenzen einhergehen können und unbedingt einer ausgewogenen Abstimmungsarbeit auch auf Länderebene bedürfen.
Potenzielle Nachteile beziehungsweise Risiken
Finanzielle Belastung kleinerer Projekte: Kleinere Projekte oder Institutionen könnten Schwierigkeiten haben, die geforderten Mindesthonorare zu zahlen, was zu finanziellen Engpässen oder sogar zur Einstellung von Projekten führen könnte.
Finanzielle Belastung öffentlicher Haushalte: Honoraruntergrenzen erfordern eine Erhöhung des Kulturbudgets, soll das kulturelle Angebot nicht schrumpfen. Insbesondere Bundesländer mit prekärem Finanzhaushalt würden vor neue Herausforderungen gestellt, die Gefahr einer Reduzierung des öffentlich geförderten Kulturangebotes könnte drohen.
Bürokratischer Aufwand: Die Umsetzung der neuen Regelungen könnte mit erhöhtem bürokratischen Aufwand für Projekte und Institutionen verbunden sein. Dies könnte vor allem für kleinere Organisationen eine Herausforderung darstellen.
Verdrängungseffekte: Es besteht die Gefahr, dass Projekte, die nicht in der Lage sind, die neuen Mindesthonorare zu zahlen, von der Förderung ausgeschlossen werden und somit die Vielfalt in der Kulturlandschaft reduziert würde.
Reaktionen der Kulturszene
Die Einführung der Honoraruntergrenzen auf Bundesebene hat in der Szene überwiegend positive Reaktionen hervorgerufen. Viele Kreativschaffende und Kulturorganisationen begrüßen die neuen Regelungen als längst überfälligen Schritt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Sie sehen darin eine wichtige Maßnahme, um die Wertschätzung und Anerkennung kreativ-künstlerischer Arbeit zu stärken.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch kritische Stimmen, die vor möglichen negativen Auswirkungen auf kleinere Projekte und die damit verbundene Bürokratie warnen. Einige befürchten, dass die neuen Regelungen zu einer weiteren Kommerzialisierung der Kultur führen könnten, bei der weniger rentable, aber künstlerisch wertvolle Projekte auf der Strecke bleiben.
Eine wichtige Maßnahme, um die Wertschätzung und Anerkennung künstlerischer Arbeit zu stärken.
Stellungnahmen der Politik
Auf politischer Ebene wird die Einführung der Honoraruntergrenzen sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene diskutiert. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) betont dabei die Notwendigkeit, faire Arbeitsbedingungen für Künstler:innen zu schaffen und die Kulturbranche zu stärken. In einigen Bundesländern wird die Initiative ebenfalls positiv aufgenommen, da sie als wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kulturschaffenden gesehen wird. Andere Länder äußern jedoch Bedenken hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen auf kleinere Projekte und Institutionen und mahnen zusätzliche Unterstützung an, um die Umsetzung der neuen Regelungen zu erleichtern.
Wie sich die saarländische Kulturministerin dazu positioniert, könnt ihr in dieser Stellungnahme in der Zeitschrift »Politik & Kultur« von November 2023 nachlesen.
Auch auf gewerkschaftlicher Ebene spielt das Thema eine Rolle. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nämlich hat unter anderem zur besseren Berechnung eures Basishonorars ein Tool auf ihrer Themenseite implementiert. Zu diesem Rechner und der Thematik fairer Honorare sprachen wir auch Anfang des Jahres mit Lisa Mangold von ver.di.
Blick nach Bremen und Mecklenburg-Vorpommern
In Bremen sind Honoraruntergrenzen bei öffentlichen Projektförderungen seit 2023 vorgeschrieben. Was bedeutet das?
Die Förderrichtlinien besagen, dass “Voraussetzung für die Förderung […] eine faire Honorierung oder Entlohnung für frei arbeitende Künstler*innen sowie für die bei der kulturellen Produktion und der kulturellen Bildung arbeitenden weiteren Personen” ist. Jedoch keine Regel ohne Ausnahme: denn unter bestimmten Bedingungen kann von den Voraussetzungen abgesehen werden – Übrigens auch auf Bundesebene.
In Mecklenburg-Vorpommern sind seit Januar 2023 Mindesthonorare in der Kulturförderrichtlinie festgelegt. Damit ist verankert, dass eine faire Bezahlung Grundvoraussetzung für eine Förderung durch Kulturfördermittel des Landes ist. Und zwar nicht nur für fest angestellte, sondern auch für freie Künstler:innen. Ist ein Genre noch nicht in die Matrix aufgenommen, ist mindestens ein branchenüblicher Honorarsatz zu zahlen, so die Kulturministerin Bettina Martin in »Politik & Kultur«.
Wie sich diese Regelung in der Praxis nun konkret darstellt, wollten wir exemplarisch wissen und fragten dazu im zuständigen Ministerium nach, wie man in Mecklenburg-Vorpommern den Spagat zwischen steigenden Kosten und einem gleichbleibend vielfältigen öffentlich geförderten Kulturangebot ermöglichen möchte.
Mit der Einführung von Mindesthonoraren für freie Künstler im Ausstellungsbereich haben wir in MV ein kulturpolitisches Signal gesetzt.
“Mit der Einführung von Mindesthonoraren für freie Künstler im Ausstellungsbereich haben wir in MV ein kulturpolitisches Signal gesetzt”, so das Kulturministerium. “Gerade im freien Kunstbereich sind Arbeits- und Entlohnungsverhältnisse oft prekär. Wo Landesgeld fließt, muss eine gerechte und angemessene Zahlung aber gewährleistet sein. Dieser Grundsatz muss im Kunstbetrieb genauso wie in anderen Branchen gelten.
Natürlich stellen die Vorgaben zur Zahlung von Mindesthonoraren die Kulturanbieterinnen und -anbieter vor neue Herausforderungen. Um dabei die Vielfältigkeit und Anzahl förderfähiger Ausstellungen und Kulturprojekte zu unterstützen, hat das Kulturministerium in Mecklenburg-Vorpommern seit 2023 zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von 100.000 € p. a. für die Zahlung von Honoraren bereitgestellt. Weiter führt das Ministerium aus: „Damit wollen wir vor allem dem Künstlerbund MV und den Kunstvereinen im Land ermöglichen, an der bundeseinheitlichen Empfehlung (Matrix zu Basishonoraren) orientierte Honorare bei ihren aus Landesmitteln geförderten Ausstellungen zu zahlen. Der Schwerpunkt der Kulturförderung liegt dabei bewusst zunächst auf der bildenden Kunst, weil für diese bereits bundeseinheitliche Empfehlungen zu Honorarsätzen vorliegen und angewandt werden können.
Für die anderen Sparten werden wir uns auf Landesebene mit den Verbänden und verschiedenen Interessenvertretungen verständigen, um das gemeinsame Ziel der fairen Bezahlung im Kulturbetrieb zu erreichen“, betont Christoph Wohlleben. „Trotz der äußerst angespannten Haushaltslage werden wir den weiteren Bedarf an zusätzlichen Honorarmitteln auch in die kommenden Haushaltsverhandlungen einbringen.”
Die regelmäßige Aufstockung der Haushaltsmittel in MV kann hier ein wichtiges, zentrales Signal für die anderen Bundesländer darstellen, um die Kultur als auch regelmäßig von politischer Seite beschworenem »Kitt der Gesellschaft« in ihrer Vielfalt zu erhalten, noch mehr wertzuschätzen und gleichzeitig prekäre Zustände der Kulturschaffenden weiter zu reduzieren.
Den »Kitt der Gesellschaft« noch mehr wertschätzen.
Fazit
Die Einführung von Honoraruntergrenzen ab dem 1. Juli 2024 markiert einen bedeutenden Schritt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von im öffentlich finanzierten Kultursektor arbeitenden Kreativschaffenden in Deutschland. Die neue Regelung auf Bundesebene sichert den Kunst- und Kulturschaffenden endlich adäquate Bezahlung, jedoch sind noch nicht alle Sparten in der entsprechenden Honorar-Matrix erfasst, dies sollte schnellstmöglich ergänzt werden. Auf der föderalen Länderebene überwiegen die Bestrebungen, auch hier die Honoraruntergrenzen zu etablieren, doch nur zwei Bundesländern ist die Realisierung bisher umfänglich gelungen. Und nur Mecklenburg-Vorpommern hat dabei parallel den Kulturetat erhöht, um der großen Gefahr eines eingeschränkten Kulturangebotes durch die Mehrkosten entgegenzusteuern. Die Reaktionen der Kulturszene und der Politik zeigen, dass die Umsetzung sorgfältig begleitet und gegebenenfalls angepasst werden muss, um die gewünschten positiven Effekte zu erzielen und eventuell gar negative Auswirkungen zu verhindern. Es bleibt jedoch das Dilemma aus steigenden Kosten, prekären Haushaltslagen und einem normativ breit gefächerten Kulturangebot.
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