Saar-Initiative »Auf! Schwung!« – Dock 11 Interview
Mit »Auf! Schwung!« hat Marion Bredebusch eine Initiative ins Leben gerufen, in der sich saarländische Unternehmen und Unternehmer:innen gegenseitig finanziell unterstützen. Das Ziel: gemeinsam die Corona-Krise zu überstehen und Insolvenzen zu vermeiden. Mittlerweile hat sich ein mehrköpfiges Team um die Gründerin gebildet, in dem alle Beteiligten ehrenamtlich tätig sind. Sogenannte »Nehmende« und »Gebende« kommen durch persönliche Vermittlung in den Austausch. Niedrigschwellig sind so finanzielle Unterstützungen möglich.
Auch Kreativschaffende, wie beispielsweise der Saarbrücker Modedesigner Fabian Schmidt, konnten seit der Initiierung im Januar 2021 vom Angebot der Initiative profitieren. Wie sich »Auf! Schwung!« seit Januar entwickelt, was es mit Gebenden und Nehmenden auf sich hat und wie auch ihr euch engagieren könnt, erzählen Marion Bredebusch und Fabian Schmidt im Interview.
Dock 11: Hallo Marion, hallo Fabian, schön dass ihr euch heute Zeit genommen habt um uns von »Auf! Schwung!« zu erzählen! Marion, welche Idee steht denn hinter »Auf! Schwung!«? Erzähl uns doch in ein paar Sätzen, woraus sich eure Initiative entwickelt hat.
Marion: Ich hatte selber in der Corona-Zeit erlebt, wie es sich anfühlt, wenn kein Geld mehr fließt und du aus allen Fördermitteln heraus fällst. Daraufhin hatte ich eine Crowdfunding Kampagne gestartet und gemerkt, dass die Menschen nicht verstehen, was das ist. Die dachten oft, ich investiere – doch was bekomme ich dafür? Außerdem haben nicht alle Selbständigen, denen es schlecht ging die Kraft, so ein Crowdfunding-Projekt ins Leben zu rufen, und für die wollte ich etwas tun.
Zudem hatte ich in Corona-Zeiten einen »Herzenstalk positiver Nachrichten« ins Leben gerufen, da wir genug negative Nachrichten haben. In einem Talk war David Zimmer dabei, der in seinem Buch »Herzblut« am Ende eben genau diese Idee beschreibt, dass alle zusammenhalten um denen zu helfen, die mit dem Rücken an der Wand stehen. Da dachte ich mir, wenn ein so erfolgreicher Unternehmer in diese Richtung denkt, gibt es sicher noch mehr davon. Im Dezember kam mir die Idee für die Saar-Initiative, im Januar bin ich auch schon gestartet, Menschen dafür zu begeistern.
Finanzielle Hilfe, privat und auf Augenhöhe
Dock 11: Bei »Auf! Schwung!« findet man sogenannte »Gebende« und »Nehmende«. Kannst du uns schildern, was da jeweils dahinter steckt und wie die jeweiligen Seiten voneinander profitieren?
Marion: Ja, wir haben lange über Namen gebrütet, die nicht in Richtung Bedürftigkeit gehen und mit denen man sich auf Augenhöhe trifft. Die »Gebenden« sind diejenigen, denen es gut geht und die vielleicht sogar Gewinnerinnen oder Gewinner von Corona waren. Die »Nehmenden« sind diejenigen, die durch Corona in eine Schieflage geraten sind und nicht (weiter) durchstarten konnten, können. Sie fallen aus vielen Fördertöpfen aus verschiedenen Gründen heraus, beziehungsweise reichen diese nicht. Es hat ja keinen »Unternehmerlohn« gegeben und somit war auch kein Geld da, um beispielsweise die Miete zu bezahlen.
Dock 11: Um welche Summen handelt es sich denn bei einer Unterstützung? Wer entscheidet, wohin welches Geld fließt?
Marion: Wir haben bislang ungefähr 160.000 € an Unterstützung gesammelt, was noch viel zu wenig ist. Das Ganze ist völlig niedrigschwellig, denn die Gebenden suchen sich selbst auf unserer Plattform aufschwung.de aus, wem sie wieviel geben wollen. Die einen geben einen großen Betrag an eine Person (oder Band) und die anderen geben mehrere Beträge an mehrere Nehmende. Ganz wie es passt und wie es eben auch für die Gebenden am besten passt. Es soll sich ja auch gut anfühlen für die Gebenden.
Dock 11: Gerade die Kreativwirtschaft hat es während der Corona-Krise besonders hart erwischt. Wie hat es dich mit »Fabian Schmidt Clothing« finanziell getroffen, Fabian? Kannst du uns ein bisschen darüber erzählen, wie sich Corona auf deine Arbeit ausgewirkt hat?
Bei allen bundesweiten Hilfen durchs Raster gefallen
Fabian: Ja gerne. Also ich habe 2020 meinen Gründerkredit genehmigt bekommen. Der Plan war, die Kollektion produzieren zu lassen und damit dann auf Messen zu gehen um diese zu vertreiben. Nun ja, Corona hat alle Messen ausfallen lassen, die Kollektion wurde nach hinten verschoben, wir sind direkt in die Maskenproduktion eingestiegen, konnten sogar welche spenden an »Ingos kleine Kältehilfe«. Finanziell war es hart, der Gründerkredit ging eigentlich größtenteils dafür drauf, das Unternehmen am Überleben zu halten. Ich hatte keinen Anspruch auf irgendwelche Überbrückungshilfen oder ähnliches. Ich hatte bei der Soforthilfe vom Land 1.400 € bekommen, bin jedoch bei allem, was auf Bundesebene angeboten wurde, durchs Raster gefallen.
Letztendlich konnte ich meine Kollektion finanzieren und Prototypen herstellen und herstellen lassen, jedoch fehlt jetzt das Geld für die Produktion und für Messen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass es recht ungünstig gelaufen ist und die Coronapandemie recht viele negative Nebenwirkungen auf mein Unternehmen hatte. Auch Inspiration und Kraft für neue Projekte zu finden war schwierig. Es wurde ja alles untersagt, was man als Kreative:r benötigt um Energie, Ideen und Kontakte zu knüpfen.
Dock 11: Du warst (oder bist) Nehmender bei »Auf! Schwung!«. Wie konntest du bisher von der Initiative profitieren?
Fabian: Genau, ich bin Nehmender bei der Initiative »Auf! Schwung!«. Bisher haben sich einige Unternehmen bei mir gemeldet und mir auch schon Geld überwiesen. Da bin ich auch sehr dankbar für. Ich konnte meinen Steuerberater zahlen, etwas in die Renovierung meines neuen Geschäfts stecken und einen Teil nutzen, um meinen Mitarbeiter weiter zu halten. Man muss auch sagen dass das alles bisher reibungslos verlaufen ist. Ich bin auch weiterhin für jede Unterstützung dankbar. Im Einzelhandel ist es immer noch etwas problematisch, dass man nicht den gleichen Kundenverkehr hat wie vor der Coronapandemie.
Dock 11: Wie sieht die Situation bei dir aktuell aus? Hast du deinen Weg durch die Krise gefunden?
Fabian: Aktuell ist es immer noch recht spannend, um es positiv zu formulieren. Also kurz gesagt: mein Schneider, der in Teilzeit bei mir arbeitet, wird nach September nur noch auf 450 € bei mir arbeiten können. Meine Assistentin musste ich entlassen. Ich habe quasi alles so gut wie es geht auf Null heruntergefahren, damit ich noch Geld für Messen und Produktion übrig habe. Also als einen richtigen Weg durch die Krise sehe ich das nicht. Es wäre wünschenswert, dass auch kleine Unternehmen eine Entschädigung bekommen, wo man nicht durch Raster fällt. Selbst bei der Bank für einen Coronakredit bin ich nun durchgefallen. Ich verstehe es ehrlich gesagt langsam nicht mehr und bin von Seiten des Staates und der Banken auch extrem enttäuscht.
Aber Unkraut vergeht bekanntlich ja nicht. Ich werde mich da irgendwie aus der Situation herauskämpfen, da ist die Initiative »Auf! Schwung!« von Marion, Barbara und Matt eine echt gute Hilfe.
Dock 11: Bei einem Angebot, bei dem man ohne etwas zurückzugeben monetär unterstützt wird, stehen die Nehmenden sicher Schlange. Wie ist das Verhältnis zu Gebenden und Nehmenden?
»Scheitern« ist heutzutage noch zu negativ besetzt
Marion: Absurderweise hatten wir mehr Schwierigkeiten, Nehmende zu finden, da sich viele dafür schämen oder zu stolz sind. Wir wollen mit der Initiative auch aufzeigen, dass es wichtig ist, sich zu zeigen, wenn man Hilfe braucht und auch ein Umdenken in Deutschland bewirken, denn hier ist »Scheitern« noch negativ besetzt. Die, die wir als Nehmende dabei haben, sind ja noch nicht einmal aus eigenem Verschulden »gescheitert«.
Dock 11: Was haben Gebende davon, sich zu engagieren und finanziell zu beteiligen?
Marion: Die meisten geben einfach wirklich von Herzen, ohne Gegenleistung, um die Vielfalt der Unternehmen im Saarland zu erhalten. Sie wollen sich solidarisch zeigen und denken Wirtschaft anders und neu. Einige haben schon gegeben und sind noch gar nicht auf der Plattform. Dennoch ist es natürlich auch super zu zeigen: hier, ich bin dabei und unterstütze. Wir haben auch ein Siegel entwickelt, das sich die Unternehmen auf die Website platzieren können.
Zum Beispiel ist unser Friseur Patrick Schillo auch Hobby-Koch und hat seine Nehmende bei einem unserer Seminare kennengelernt. Anschließend hat er für sie und ihren Mann gekocht. Damit will ich sagen: es sind natürlich auch kreative Gegenleistungen möglich. Als die Nehmenden von TANPAS mal ein Verkostungsevent gemacht haben, waren viele von »Auf! Schwung!« da und haben groß eingekauft. Das Geld ist jetzt nicht in die Bilanz geflossen, aber Tanja Jost-Jacoby wurde dadurch trotzdem super unterstützt. Zudem hat sie eine neue Gebende gewinnen können.
Auch Kreative können sich einbringen – auf beiden Seiten
Dock 11: Vielen ist das »Auf! Schwung!«-Angebot ja noch nicht bekannt. Wie können sich Kreativschaffende aus dem Saarland aktiv in die Initiative einbringen?
Marion: Indem sie eben auch mitmachen und uns ein Foto und einen Text schicken! Falls das eine Schwelle wäre: unsere Ehrenamtlichen unterstützen gerne dabei und kommen vorbei, um z.B. ein Foto zu schießen. Außerdem hilft es sehr, die Idee der Initiative weiter zu verbreiten, falls sie selbst in der glücklichen Lage sind, finanziell gut über die Runden zu kommen. Wer sogar trotz Corona noch erfolgreich ist, kann natürlich auch als Kreativschaffende:r als Gebender agieren. Ab 200 € ist man da schon dabei!
Fabian: Am besten einfach Marion eine Email schreiben! Ich hatte von ihr schnell einen positiven Rückruf.
Dock 11: Durch »Auf! Schwung!« kamen ja sicher schon Menschen aus verschiedensten unternehmerischen Ecken zusammen. Gibt es interessante Verbindungen, die sich durch die Initiative entwickelt haben?
Marion: Ja, der Friseur Patrick Schillo ist jetzt mit der Ärztin Beate Strittmatter befreundet und sie schickt ihm viele Kundinnen und Kunden vorbei. Die Band Slowhand hat ihren Geber Georg Wagner kennengelernt. Dieser ist begeisterter Hobby-Musiker und in der gleichen Stilrichtung unterwegs. Sicher spielen die mal einen Gig zusammen, das sehe ich schon vor mir. Die Künstlerin Annette Orlinski hat sich mit Anne Spatazza zusammengetan und die beiden werden Projekte zusammen machen. Da wird noch einiges entstehen, da bin ich mir sicher. Genau dafür haben wir jetzt am Freitag, den 3. September 2021 ein großes Netzwerktreffen zwischen Gebenden und Nehmenden geplant.
Fabian: Definitiv, ich konnte auch schon bei einem Workshop von Marion mitmachen. Dadurch habe ich einige Nehmende kennengelernt und registriert: ich bin nicht alleine mit meinem Problem. Zudem kann man sich als Nehmende:r auch gegenseitig unterstützen, indem man Werbung füreinander macht. Und sei es nur, Werbematerial im Geschäft auszulegen.
Dock 11: Vielen Dank dass ihr euch für das Interview Zeit genommen habt!
Ihr habt Interesse, als Gebende:r oder Nehmende:r Teil der Initiative »Auf! Schwung!« zu werden? Marion Bredebusch lädt alle Interessierten herzlich ein zum Netzwerktreffen am 3. September 2021 um 17 Uhr ins Hotel am Triller (Trillerweg 57, 66117 Saarbrücken)! Anmeldung per Email: marion@aufschwung.de
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