s:coop – Das Interview
Dock 11: Hallo Tobias, hallo Aude ! Danke, dass ihr euch trotz des vollen Terminkalenders so kurz vor der Präsentation für Dock 11 Zeit genommen habt.
Aude: Vielen Dank für das Interview.
Dock 11: Was war denn eure Initialzündung zur Gründung einer Genossenschaft?
Tobias: Im Kontext einer Lehrveranstaltung zum Thema »konkrete Utopie« an der Hochschule der Bildenden Künste Saar wurden wir auf die Ausschreibung des Stifterverbandes zusammen mit der Dieter Schwarz Stiftung zum Thema »Innovation Hubs @ Campus« aufmerksam und die Diskussion begann. Was ist ein Innovation Hub, vor allem an einer Kunsthochschule? Und was haben wir eigentlich schon? Wir haben ein »pz für Prototyping, das xm:lab für Research und IT-Kooperationen und das K8 Institut für strategische Ästhetik für Transfer: Gefühlt waren wir im Innovationsgeschehen ganz gut aufgestellt.
In Diskussionen rund um diese Lehrveranstaltung entwickelte sich der Gedanke, dass der fehlende Hub ein Ort ist, an dem man die erlernte und erforschte Kreativität und Freiheit zu einem Geschäftsmodell weiterentwickeln kann – eigentlich die große Frage: »was kommt danach?«
Für Gestalter*innen gibt es natürlich die Möglichkeit, sich von größeren Agenturen oder der Industrie anstellen zu lassen, für Künstler*innen eher weniger, dort sind es die Museen oder das Bildungssegment. Die größere Zahl der Künstler*innen – und auch eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Gestalter*innen – sehen sich einer sehr plötzlichen Gründung als Einzelunternehmer bzw. freischaffende*r Gestalter*in/Künstler*in gegenüber.
Aus dieser Bestandsaufnahme und der festen Überzeugung, dass die Kreativbranchen im Wandel der Digitalisierung immer komplexere Prozesse zu gestalten hat, was als Einzelunternehmer*in kaum noch möglich sein wird, entwickelte sich die Idee, wieder auf die alte traditionelle Genossenschaft als Unternehmensform zurückzukommen.
Wenn man Prozesse und Dinge gestalten möchte, empfanden wir es als wichtig, mit der Unternehmensform und der Teilhabe anzufangen. Der/die Kreative ist tendenziell nicht so gerne angestellt, in der Genossenschaft sind alle Mitglieder Inhaber*innen.
Diese Ideen haben wir beim Stifterverband in den Ring geworfen und anscheinend überzeugte sie: aus insgesamt etwa 90 Bewerbungen sind wir mit noch zwei anderen Hochschulen ausgewählt worden und mit 250.000 € Startkapital versehen worden.
Eine Struktur, in der es sich für die Genoss*innen risikoärmer arbeiten und experimentieren lässt
Dock 11: In welcher Form können die Genossenschaftsmitglieder, aber vielleicht auch die saarländische Kreativszene und die saarländische Wirtschaft von s:coop konkret profitieren?
Aude: Ich glaube, dass »profitieren« in unserem Kontext nicht unbedingt das passende Wort ist, vielleicht nennen wir es »sich gegenseitig bereichern«. Denn eine Genossenschaft funktioniert nur, wenn Personen/Institutionen, welche von den Leistungen profitieren wollen, sich auch selbst mit einbringen. Wir bieten mit der s:coop eine Struktur, in der es sich für die Genoss*innen risikoärmer arbeiten und experimentieren lässt, als wenn man als Freiberufler*in agiert: Für Projekte, die im Rahmen der s:coop stattfinden, übernimmt die Genossenschaft die Haftung und Genoss*innen können sich zusammentun, um gemeinsam größere Aufträge zu übernehmen.
Da die Anschubfinanzierung des Stifterverbandes endlich ist, arbeiten wir im Moment an drei Pilotprojekten, die unterschiedliche Konzepte für Einnahmequellen der Genossenschaft entwickeln sollen. Im Herbst werden drei weitere Projekte dazu kommen, die drei ersten sind:
- Der Aufbau einer geteilten Infrastruktur, die den Genossenschaftsmitgliedern sowie Externen (zu anderen Konditionen) zur Verfügung gestellt wird. Wir wollen in den nächsten Wochen und Monaten Gerätschaften anschaffen, die sich unsere Mitglieder einzeln nicht leisten können. Zur Zeit führen wir eine Bedarfsanalyse durch, damit die Anschaffungen den Bedürfnissen der Kreativschaffenden entspricht. Mittelfristig möchten wir auch Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.
- Die Entwicklung des Formates »Ideen-Inkubator«, in dem ein*e Ideengeber*in seine/ihre Produkt- oder Dienstleistungsidee zwei Tage lang von einem Team mit verschiedenen Kompetenzen methodisch evaluieren lässt und zum Schluss Rückmeldungen und Entwicklungsvorschläge erhält.
- Das s:lab, welches ein vielfältiges Angebot an Vorträgen, Workshops und kollaborative Prototyping-Formate entwickelt. Das s:lab bietet den Genoss*innen einen Rahmen, um ihre Kompetenzen an Dritte zu vermitteln.
Geplant ist, das Leistungsspektrum der s:coop sowie die Angebote für die Mitglieder (und Nicht-Mitglieder) weiterzuentwickeln.
Gemeinwohlorientierte Modelle
Dock 11: Seht ihr die Genossenschaft auch als einen Beitrag zum saarländischen Strukturwandel?
Tobias: Ja, auf jeden Fall. Denn wir sind davon überzeugt, dass die traditionelle Marktwirtschaft weiterentwickelt werden kann, und dass gemeinwohlorientierte Modelle – wie das der s:coop – neue Perspektiven eröffnen können.
Dock 11: Wem steht die Genossenschaft s:coop offen?
Tobias: Die s:coop steht zuerst mal jedem offen, der/die in der Kreativbranche oder als Künstler*in tätig ist und die Genossenschaft mitgestalten möchte. Natürlich ist die s:coop im Kontext der HBKsaar gegründet worden und soll für HBKler*innen attraktiv sein. Aber wir freuen uns darauf, wenn andere Akteure sich beteiligen, denn wir glauben, dass der Austausch mit unterschiedlichen Menschen für jede*n und für die Genossenschaft selbst einen Mehrwert bietet.
Wer Interesse daran hat, sich an der s:coop eG zu beteiligen und von ihrer Infrastruktur zu profitieren, kann sich gerne mit uns in Verbindung setzen.
Dock 11: Was habt ihr nach der Präsentation vom 15. bis 17. Juli im Terminplan?
Aude: Für den Sommer hat unser s:lab schon einige Termine: Es gestaltet Workshopangebote für Kinder und Jugendliche zum Thema Digitalisierung im Rahmen des Ferienfreizeitprogramms Saarland. Am 27.08. findet unser erster Online-Workshop „Weniger ist viel“ statt: Es ist ein Angebot für Organisator*innen von Veranstaltungen zum Thema »Ressourcen sparen bei der Eventgestaltung«. Im Herbst folgen weitere Workshopangebote für Künstler*innen. Anfang September hätten wir am Event »Makerland« vom Dritten Ort BLIIIDA in Metz teilgenommen, das leider wegen Covid-19 auf den Frühling 2021 verschoben wird. Dann sind wir aber auf jeden Fall dabei!
Und natürlich arbeiten wir mit Hochdruck an unseren aktuellen Pilotprojekten und der Entwicklung von weiteren.
Alle für einen – einer für alle
Dock 11: Genossenschaften liegen momentan im Trend. Welches sind eurer Ansicht nach die Ursachen für die Renaissance der Genossenschaften? Und worin seht ihr den Vorteil einer Genossenschaft im Kontext der Kunsthochschule?
Tobias: »Alle für einen – einer für alle« hat bei den drei Musketieren schon gut funktioniert… Spaß beiseite: Es ist wohl auch der Digitalisierung zu verdanken, dass unsere Art zu arbeiten und die Arbeit an sich einen Wandel erlebt. Projektbasiertes Arbeiten in Teams unterschiedlichster Disziplinen wird immer wichtiger im Arbeitsalltag. Hier sind die Parallelen zum Arbeiten und Studieren an der HBK zu erkennen.
Ebenso braucht es im Hinblick auf unsere Wirtschaftsstrukturen und Konsumverhalten Modelle, die flexibel und krisenresistent funktionieren können. Gerade das bietet eine Genossenschaft.
Dock 11: Getreu eurem Slogan auf eurer Homepage: Welches ist eure konkrete Utopie oder wo seht ihr euch in fünf Jahren?
Aude: In fünf Jahren möchten wir ein etablierter Akteur der saarländischen Kreativbranche sein, mit Genoss*innen, die ein breites Spektrum an Kompetenzen mitbringen und Räumlichkeiten, an denen sowohl die Kreativbranche, die Studierenden und Absolvent*innen der HBKsaar, als auch weitere Unternehmen und die Zivilbevölkerung sich zu Hause fühlen.
Wer diese konkrete Utopie mitgestalten möchte, ist herzlich willkommen!
Dock 11: Vielen Dank für das Gespräch!