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filmreif! – Leiter Jörn Michaely im Interview

filmreif!  ist mit über 70 Filmen im Wettbewerb das größte Nachwuchs-Kurzfilmfestival für junge Filmschaffende im deutschsprachigen Raum. Dabei beginnt am 30. Mai gerade mal die zweite Ausgabe des jungen Filmevents. Gezeigt wird ein Kaleidoskop der spannendsten, lustigsten und dramatischsten Kurzfilme des Jahres. Die Macher wollen den Filmstandort Saarland stärken und gleichzeitig jung, wild und mutig sein. Nachdem der künstlerische Leiter Jörn Michaely uns bereits bei unserer Netzwerkveranstaltung Content & Crémant Rede und Antwort stand, wollten wir von Jörn nun mehr wissen. Der 24-Jährige hat das Festival letztes Jahr ins Leben gerufen. Selbst als Filmemacher unterwegs, weiß Jörn um die Bedeutung von Netzwerken für solche Unternehmungen. Seine Filme zeigt er auf Festivals im In- und Ausland. Zuletzt gewann er den Deutschen Generationenfilmpreis. Die Protagonisten seiner Filme eint eines: Die Suche nach sich selbst und ihrem Platz in der Gesellschaft. Wir haben den Saarbrücker Regisseur und Produzent zum Interview getroffen.  Im Dock 11 Interview erklärt er uns, welche Herausforderungen es bei der Organisation eines Filmfestivals zu überwinden gilt, auf welche Netzwerke und Fördermittel er dabei zurückgegriffen hat und was das filmreif!-Team für die Zukunft geplant hat.

filmreif! - Leiter Jörn Michaely im Interview

Dock 11: Hi Jörn! Schön, dass du kurz für uns Zeit hast, obwohl du sicherlich bis zum Hals in Arbeit steckst. filmreif! findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Wie kam es zu der Idee, ein solches Festival im Saarland zu organisieren?

Jörn: Für Kurzfilme ist es einfach wahnsinnig schwer gesehen zu werden. Genau das wollten wir ändern und ihm eine Bühne geben. Kurzfilm ist eine Kunstform, die oft hinten runter fällt. Man kann sie nicht im Kino sehen wie früher, als es noch Vorfilme gab, für eine Präsentation im Internet sind sie komischerweise wiederum fast schon zu lang und verpuffen eigentlich einfach.
Also gab es für Kunst- und Kulturinteressierte im Grunde keine Möglichkeit Kurzfilme zu sehen und genauso wenig eine Möglichkeit für die jungen Filmemacher – in ganz vielen Fällen sind das junge Nachwuchsfilmemacher, die Kurzfilme produzieren -, ihre Arbeiten zu zeigen. Und das, obwohl irrsinnig viele Kurzfilme in Deutschland produziert werden. Da haben wir eine Nische gesehen: Lass und doch gerade hier im Saarland diesen weißen Fleck befüllen und hier eine zugängliche Bühne bieten.
Diese Offenheit ist auch ein wichtiger Aspekt an filmreif!. Wir haben das bei der Gestaltung des Festivals im Hinterkopf, das war auch die Idee hinter unserer Open Air Bühne. Das Ganze soll auch Menschen ansprechen, die mit der Kunstform Kurzfilm bisher wenig Berührungspunkte hatten.

Die jungen Filmemacher haben keine Möglichkeit, ihre Filme zu zeigen. Und das obwohl irrsinnig viele Kurzfilme in Deutschland produziert werden.

Dock 11: Das ist nun die zweite Ausgabe von filmreif!. Was waren dabei denn die ganz großen Schwierigkeiten und Hindernisse, die euch dabei begegnet sind, und gibt es Situationen, in denen ihr auf die Erfahrungen von letztem Jahr zurückgreifen könnt?

Jörn: Was der große Vorteil bei uns ist und was in der Entwicklung gesehen eine kluge Herangehensweise war: Wir waren zunächst mal vollkommen unabhängig.
Die Idee war: Wir machen erst mal etwas mit ganz wenig Geld und überwiegend ehrenamtlich und probieren mal ein neues Konzept aus, für das es so eigentlich keine Fördertöpfe gibt. Dieses Jahr sind jetzt Fördertöpfe für uns vorhanden, die letztes Jahr so noch undenkbar waren. Einfach weil niemand dieses Konzept verstehen konnte und niemand wusste, dass es auch funktionieren kann. Hauptsächlich weil wir etwas anders sind als andere Festivals: Wir wollen etwas frechere und mutigere Sachen machen, die etabliertere Festivals in der Form nicht machen können, weil sie dazu eine riesige Maschinerie in Bewegung setzen müssten. Wir sind da einfach etwas flinker und beweglicher.

Die Idee war: Wir machen erst mal etwas mit ganz wenig Geld und überwiegend ehrenamtlich und probieren mal ein neues Konzept aus, für das es so eigentlich keine Fördertöpfe gibt.

Dock 11: Aber nun konntet ihr im Vorjahr zeigen, dass filmreif! funktioniert.

Jörn: Genau! Im Grunde war das im letzten Jahr ein Experiment: Das könnten wir mal so machen und für nächstes Jahr denken wir uns einfach mal noch ein paar Dinge aus. Dann haben viele gesehen, dass es funktioniert und wir haben eine super Resonanz bekommen. Sowohl medial als auch aus der relativ speziellen Kurzfilmszene, also ist auch in diesen Kreisen das Festival angekommen. Das merken wir auch an der Zahl der Einreichungen. Letztes Jahr hatten wir 300 Bewerber, dieses Jahr wurden bereits 540 Filme eingereicht. Das Festival wurde also schon in der zweiten Ausgabe in allen Bereichen hoch skaliert. Das ist natürlich eine der ganz großen Herausforderungen für uns. Wir haben mehr Rahmenprogramm, mehr Filme im Wettbewerb und auch mehr unterschiedliche Preise.

Wir wollen etwas frechere und mutigere Sachen machen, die etabliertere Festivals in der Form nicht machen können.

Dock 11: Welche Fördertöpfe zapft ihr dieses Jahr denn konkret an, die euch letztes Jahr noch verschlossen waren?

Jörn: Überwiegend werden wir finanziert von der Stadt Sankt Ingbert, fast die Hälfte des Budgets kommt daher. Der Rest finanziert sich durch ziemlich kleinteilige Sponsorings, auch da konnten wir durch den Vorjahreserfolg stark zulegen. Wer außerdem noch einen recht großen Anteil beisteuert, ist die Saarland Medien GmbH.  Dieses Instrument der Medienstandortförderung hat uns beispielsweise im letzten Jahr noch nicht gefördert, obwohl wir es zweimal versucht haben. In diesem Jahr wurde uns eine einmalige Projektförderung zugesprochen. Das liegt aber natürlich auch daran, dass es anfangs einfach schwierig zu vermitteln ist, was wir vorhaben.
Aber da die Vorjahresausgabe nun so gut geklappt hat, sind die Türen einen Spalt weiter offener für Vieles. Trotzdem müssen wir auf unserem Weg zur Professionalisierung natürlich versuchen, die Türen nicht nur einen Spalt weit aufzubekommen, sondern sie eigentlich weit aufzureißen.

Das Programm hat sich massiv vergrößert.

Dock 11: Stichwort Professionalisierung: Ihr seid derzeit noch stark ehrenamtlich aufgestellt, gibt es denn Pläne, den Schritt zu machen, die Leute zu bezahlen und das Ganze auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen?

Jörn: Ganz klar: Ja. Das muss unser Ziel sein und ist es auch.

Dock 11: Habt ihr dafür bereits einen konkreten Fahrplan?

Jörn: Die generelle Richtung ist uns klar. Jetzt gehen die Vorbereitungen für das nächste Jahr los und dabei stellt sich erneut die große Finanzierungsfrage. Dabei ist klar, dass die Richtung sein muss, dass die Stadt Sankt Ingbert das Projekt mitträgt. Das ergibt aus unserer Sicht einfach Sinn, weil  die Stadt einer der Hauptakteure des Festivals ist und davon abgesehen, von filmreif! auch stark profitiert. Wir bringen im Rahmen des Festivals viele Leute nach Sankt Ingbert. Da hoffen wir einfach, dass wir auf die Unterstützung der Stadt bauen können.
Ob wir die 2020-Ausgabe bereits in diesem Jahr auf dem Festival ankündigen, wissen wir ehrlich gesagt selbst noch nicht genau. Denn wir wissen im Detail noch gar nicht, wie es weitergeht. Die Gespräche fangen jetzt in Kürze an und dann müssen wir sehen, wie wir Budgets zusammenschustern können.

Wir sind ja insgesamt ein Team von 80 Helferinnen und Helfern, ohne die das Ganze überhaupt nicht vorstellbar wäre.

Dock 11: Was ist denn in diesem Jahr die größte inhaltliche Veränderung des Festivals?

Jörn: Das Programm hat sich massiv vergrößert, wir zeigen viel mehr Filme: Neu ist der Musikvideopreis und wir haben dieses Jahr eine sensationelle Jury. Mit Andreas Dresen sitzt jemand in der filmreif!-Jury, der letztes Wochenende sechs mal den deutschen Filmpreis gewonnen hat. Davon hätten wir im letzten Jahr fast nicht zu träumen gewagt. Aber auch ein Moritz Jahn, den viele aus der Netflix-Serie Dark kennen werden, ist in unserer Jury vertreten. Auch wichtige Entscheider wie Clauia Tronnier, als Leiterin des kleinen Fernsehspiels im ZDF eine der bedeutendsten Frauen für den deutschen Filmnachwuchs. Auch freuen wir uns Nina Eichinger, die Tochter von Bernd Eichinger, im Musikvideopreis begrüßen zu dürfen. Die Jury ist also einfach mit 17 Juroren noch mal etwas größer und eine ganz andere Hausnummer geworden. Das ist natürlich auch wieder eine neue koordinatorische Herausforderung.
Total angenehm ist dabei natürlich, dass vieles in den Arbeitsabläufen einfacher geworden ist. Wir haben beispielsweise seit diesem Jahr ein festes Büro in Sankt Ingbert, in dem wir regelmäßige Teamtreffen organisieren können. Wir sind ja insgesamt ein Team von 80 Helferinnen und Helfern ohne die das ganze überhaupt nicht vorstellbar wäre. Da war im letzten Jahr das Thema Raum ein großes Problem für uns in der Vorbereitung von filmreif!.

Wenn dann das Konfetti von der Decke regnet, hat jeder von uns Gänsehaut.

Dock 11: Was ist denn für dich dein persönliches Highlight dieses Jahr? Gibt es eine Kategorie oder einen Preis, auf den du dich besonders freust?

Jörn: Ich freu mich sehr auf den jungen Pitch. Das ist ein großartiges Format, bei dem junge Drehbuchautoren ihre aktuellen Werke in 4 Minuten-Pitches vorstellen können. Dabei kommen 14 Pitches nacheinander von ganz unterschiedlichen Autoren und in verschiedenen Präsentationsformen vor eine tolle Jury, die das Ganze unter die Lupe nimmt.
Ansonsten freu ich mich auch sehr auf den Mondo-Trash Film Event am Freitagabend. Das wird garantiert sehr lustig. Zwei Schauspieler aus dem Staatstheater spielen dabei zwei Filmkritiker, die sich Trash-Filme ansehen. Das wird zum Schreien komisch, die beiden sind wirklich witzig. Einigen ist wahrscheinlich auch bereits aus der Sparte 4 als Veranstaltungsreihe Mondo Tasteless bekannt.
Mein ganz persönliches Highlight ist aber ganz klar die abschließende Preisverleihung. Ich und die Jury wissen ein bisschen früher als alle anderen, wer die Preise gewinnt. Das sind ja auch immerhin 15 Preise mit einem Gesamtvolumen von 20.000 €, die an dem Tag ausgegeben werden. Das ist für alle einfach aufregend und auch ein emotionales Highlight. Wenn dann das Konfetti von der Decke regnet, hat jeder von uns Gänsehaut und braucht hinterher mal 5 Minuten für sich, um mal kurz durchzuatmen, wenn dann die ganze Anspannung abfällt. Auf diesen Moment freue ich mich am meisten.

Dock 11: Jörn, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Wir können es gar nicht abwarten, uns selbst ein Bild von filmreif! zu machen.

Das Interview führte Matthias Schmitt.

Veranstalter des Festivals ist der Bundesverband Deutscher Film-Autoren e. V., der sich als größter deutscher Dachverband der nicht-kommerziellen Filmschaffenden versteht. Neben dem künstlerischen Leiter Jörn Michaely übernimmt Fabian Roschy die organisatorische Leitung. Beide sind selbst saarländische Filmschaffende, denen der Filmnachwuchs in der Region am Herzen liegt. St. Ingbert bietet seinen knapp 38.000 Einwohnern ein buntes, vielfältiges Kulturprogramm, das gerne angenommen wird. Hierzu gehören auch regelmäßige Veranstaltungen wie das Jazzfestival und die St. Ingberter Pfanne. filmreif! soll das lokale Kulturangebot speziell für jüngere Menschen verstärken und außerdem viele junge Kreative aus dem Bundesgebiet zusammenbringen.